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Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)

Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)

Titel: Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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Fingerabdrücken entwickelt. Wenn das Team an einen Tatort
ging, hatte er fast immer den ›Dakty-Koffer‹ fest im Griff.
    »Du bist
unser Experte für serologisches Spurenmaterial«, klingen die Lobesworte seines Vorgesetzten
manchmal noch heute in seinem Ohr. Ihm fällt gerade ein besonders faszinierender
Spiralwirbel im nassen Wattsand ins Auge. Die schrägen Sonnenstrahlen haben einen
Sternenhimmel auf die schwarzen Schlickfurchen gesprenkelt.
    Es ist die
Skulptur eines Fingerabdrucks, stellt der Spurensicherer berufsbedingt fest, geht
in die Hocke, schaut durch den Sucher und beugt sich so weit in das Motiv hinein,
bis der Schärfebereich seiner Optik nicht mehr mitmacht. Er drückt den Auslöser,
verändert den Ausschnitt und drückt erneut. Nachdem er die Ausbeute auf dem Display
kontrolliert hat, marschiert Hollmann weiter. Er biegt vom Weg ab, die Salzwiesen
mit Rotschwingel, Andelgras und Queller locken ihn an. Zwischen den Pflanzen haben
sich kleine Ölfilme gebildet, die in Regenbogenfarben schimmern. Herzmuscheln mit
schmutzigbrauner Schale ragen aus den morbiden Tümpeln. Das sind die Motive, nach
denen der Hauptkommissar Ausschau hält, weitab von den Zuckerguss-Postkartenidyllen
der Touristen.
    Ein Vorbild
ist ihm der englische Landschaftsfotograf David Ward, der seine Strukturfotos von
Bäumen, Wasserfällen oder Steinformationen nach besonderen Lichtstimmungen und Kontrasten
aussucht. Hollmann hat mehrere Fotobände allein von diesem Künstler. Aber auch Terry
Hopes spirituelle Landschaftsaufnahmen begeistern ihn immer wieder.
    In Laufe
der Jahre hat er eine riesige Sammlung von Fotobänden angehäuft. Einen beträchtlichen
Raum nimmt allerdings die Landschaftsfotografie ein, wie der Schwede Hans Strand
mit seinen spektakulären Aufnahmen von einem aktiven isländischen Vulkan. Yann Arthus-Bertrand
›Die Erde von oben‹ oder ›50˚‹ von Jörg Heieck. Auch die alten Klassiker der ›Group
f/64‹ sind dabei. Sie fotografierte in den dreißiger Jahren ausschließlich mit der
Blende 64, um eine größtmögliche Tiefenschärfe zu bekommen. Der amerikanische Meister
des Schwarz-Weiß-Fotos Ansel Adams, der die Fotografie zu einer Kunstform entwickelte.
In einem seiner historischen Fotobände gibt es eine legendäre Abbildung von einer
gigantischen Holzbalkenkamera, der sogenannten ›Mammut‹, mit der 90 x 90 cm große
Glasplatten belichtet werden konnten.
    Hollmann
hat das Foto der Riesenkamera vor Augen, als ihm ein Priel den Weg versperrt. Er
muss erst die Hosenbeine hochkrempeln, bevor er durch die ablaufende Strömung waten
kann. Ein Lichtstreifen zeichnet die ausgewaschene Schlickkante am anderen Ufer
nach, die wie ein Goldklumpen glänzt. Der Hauptkommissar kann nicht weitergehen,
ohne mehrere Nahaufnahmen zu schießen. Die Zeit scheint stillzustehen. Wieder lockt
ein Motiv, wieder stoppt er, um es abzulichten und hat schon das nächste im Visier.
Zwei Stränge einer Strandsode liegen in einer Ölfilmlache, die sich wie eine silberne
Aura um die fleischige Pflanze gelegt hat. Die kleinen graugrünen Blätter trotzen
dem Umweltdreck. So bedrückend er das Stillleben auch findet, aber die sterbenden
Pflanzen haben eine atemberaubende Ästhetik. Während er intuitiv den richtigen Ausschnitt
im Sucher festlegt, fallen ihm die Pflanzenaufnahmen des Karl Blossfeldt ein, der
sich streng analytisch nur auf die Struktur von Knospen, Stängeln und Blättern konzentriert
hat. Der Fotoband ›Wundergarten der Natur‹ ist für Peter Hollmann bis heute seine
größte Inspiration geblieben. Damals, als er das Buch entdeckt hatte, leistete er
sich, gegen den Protest seiner Frau, eine wirklich teure Spiegelreflexkamera, um
danach stundenlange Fotostreifzüge an der Elbe entlang zu machen. Alles in der knappen
Freizeit seiner Polizeiarbeit.
    Das war
der Anfang vom Ende seiner Ehe. Die unangenehme Wahrheit hat er auf seinen einsamen
Streifzügen immer dabei. Er drückt wie in Trance auf den Auslöser und geht weiter
ins Watt hinaus. Zu dem Zeitpunkt, rumort es in ihm, hatte er seinen Kopf bereits
in den Sand gesteckt, war lieber fotografieren gegangen, als sich den Problemen
zu Hause zu stellen. Es kam, wie es kommen musste. An einem freien Samstag war er
allein in der eisigen Kälte am Elbufer gewesen, um Aufnahmen von den sich auftürmenden
Eisschollen zu machen. Er hatte nicht lange durchgehalten, weil seine Finger in
Kürze fast blau gefroren waren, sodass er den Auslöser nicht mehr betätigen

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