Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)
seinen Kopf frei zu bekommen, doch die Heftigkeit des Streits
macht ihm ein schlechtes Gefühl und er grübelt darüber nach, wie es mit Frejas Mutter
und ihm weitergehen kann. Je länger er sich die Situation durch den Kopf gehen lässt,
desto verworrener und unlogischer erscheint ihm alles.
Er muss
erst wieder lächeln, als ihn ein Lastwagen behindert, auf dessen Plane in großen
Buchstaben steht: Freja, Transporte und Logistik. Am Grenzübergang Ellund flattern
die skandinavischen Flaggen am Rand der Autobahn. Deutschland ist eine andere Welt,
gemächlicher Fahrstil, ade! Die Fahrzeuge werden von einer unsichtbaren Macht angetrieben.
Schneller fahren! Schneller fahren!
Man sitzt
ihm wieder im Nacken, Oleander treibt willenlos in die Hetzjagd. Keine halbe Stunde
später parkt er seinen Wagen bereits vor seinem Geschäft in der Flensburger Nordstadt.
›Surferparadies Makahiki‹ steht in roten Buchstaben über der breiten Schaufensterfront.
Der Name stammt von einem uralten Fest auf Hawaii, an dem die Arbeit für drei Monate
unterbrochen wird und große Wellenreitwettkämpfe stattfinden. Oleander ist noch
nicht ausgestiegen, schon stürmt sein Geschäftspartner Moritz Krüger aus der Ladentür.
»Ole, du
wirst es nicht glauben, wer gestern bei uns im Geschäft war!«, ruft er ihm aufgeregt
entgegen.
»Nach deinem
Gesichtsausdruck zu urteilen, endlich mal keine unangenehme Person.«
»Der große
Kilian Martens in persona!«
»Kilian?
Bist … bist du sicher?«, fragt Oleander verhalten.
»Klar doch,
so häufig wie der Kerl auf der Titelseite von ›Surf‹ zu sehen war, würde ich ihn
mit geschlossenen Augen unter Wasser erkennen. Außerdem hat er nach dir gefragt,
wollte dich sprechen. Warum hast du mir gegenüber nie ein Wort darüber verloren,
dass er dich persönlich kennt!«
»Weil es
Geschichten aus längst vergessenen Tagen sind, lange bevor wir uns kennengelernt
haben. Aber was wollte er, warum ist er in Deutschland?«
»Er hat
nur gesagt, er will dich sprechen. Morgen ist er bei seinen Eltern auf Eiderstedt
und danach will er nach Klitmøller hoch, mit dir, hat er gesagt, ehrlich. Der große
Kilian Martens will mit dir in Dänemark surfen gehen, echter Wahnsinn! Du sollst
ihn unbedingt anrufen, hat er gesagt, du kennst seine Handynummer. Ich hab sie mir
aber trotzdem aufgeschrieben, liegt drin auf dem Tresen.«
Moritz zieht
Oleander am Handgelenk, als der sich nicht von der Stelle rührt.
»Bleib cool,
Mann. Kilian Martens muss sich genauso den Arsch abwischen wie wir alle.«
»Mensch,
das kann unseren Laden in Schwung bringen! Kilian Martens, Kunde in unserem Laden!
Lass dir von ihm ein paar Poster unterschreiben, Ole! Kilian auf einer Riesenwelle,
damit pflastern wir das Schaufenster!«
Oleander
trottet ohne ein Wort zum Schaufenster, wirft einen flüchtigen Blick auf die Dekoration
und sagt stoisch: »Ist doch gut genug, wie es ist.« Sein Geschäftspartner bleibt
hartnäckig an seiner Seite.
»Die neuen
Offroad Kites von Advance sind vorgestern geliefert worden«, leiert Moritz Krüger
herunter, weil das merkwürdige Schweigen von Oleander andauert. Der nickt nur kurz,
geht in den Laden und steuert direkt auf den Tresen zu. Moritz ist ihm gefolgt,
schaut neugierig auf jede Bewegung. Oleander greift nach dem Zettel mit der Telefonnummer,
zerreißt ihn und wirft die Schnipsel demonstrativ in den Papierkorb.
»Das glaub
ich jetzt nicht, bist du bescheuert?«, protestiert Moritz laut.
»Ich hab
meine Gründe«, sagt Oleander ruhig.
»Die Werbung
hätte unser Laden dringend nötigt. Wirf mal einen Blick auf den Rechnungsberg.«
»Keine Panik,
Moritz, bin bereits mit Hochdruck an der Sache dran.«
»Das Wasser
steht uns bald bis zum Hals!«
»Ist ja
gut, ist ja gut, Moritz!«, knurrt Oleander und sieht gleichzeitig durch die Schaufensterscheibe
einen Mercedes SL 600 mit getönten Scheiben auf den Parkplatz biegen. Drei schwarz
gekleidete Männer mit Spiegelglassonnenbrillen auf der Nase klettern unheilvoll
ins Freie, besprechen sich kurz und marschieren zielsicher auf die Ladentür zu.
Oleander fühlt ein spitzes Stechen im Kopf. Er steht wie versteinert neben Moritz
Krüger, während seine Augen panisch nach einem Versteck Ausschau halten. Doch es
gibt keinen Fleck, an dem er unauffällig verschwinden könnte. Die Ladentür geht
auf, ein graumelierter Mann in einem gepflegten Rollkragenpullover und kugelsicherer
Weste darüber tritt ein. Zwei muskelbepackte Glatzköpfe mit grimmigen
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