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Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)

Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition)

Titel: Donnergrollen: Der fünfte Fall für Jan Swensen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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konnte.
Die frühe Heimkehr bescherte ihm ein völlig unerwartetes Motiv, seine Frau Gabriele
und ein Kollege der Spurensicherung, der seine Freizeit freizügiger gestaltete als
er selber. Peter Hollmann hatte vor Wut seine Spiegelreflexkamera an die Wand geschleudert
und fand sich eineinhalb Jahre später vor dem Scheidungsrichter wieder. In der Zwischenzeit
war er in den Norden geflüchtet und hatte in Husum eine neue Bleibe gefunden. Vom
Fotografieren wollte er allerdings jahrelang nichts mehr wissen. Doch eines Tages
beendete er das Einsiedlerleben abrupt, war das erste Mal an die Küste gefahren
und ins Wattenmeer hinausmarschiert. Die unendliche Weite der Landschaft hatte ihn
auf Anhieb verzaubert. Liebe auf den ersten Blick. Der Kauf einer neuen Digitalkamera
war die Konsequenz, um seiner Begeisterung für diese einzigartige Natur Ausdruck
zu verleihen. Seitdem hat die Freizeit für Peter Hollmann wieder einen Sinn. Bei
jedem Wetter ist er im Watt, eifert seinem Idol Karl Blossfeldt nach.
     
    Über der Wassernaht am Horizont
ziehen dunkle Wolken auf. Von vorn stürmt eine Böe heran, wellt sachte die Oberfläche
einer großen Wasserpfütze, die von der letzten Flut zurückgeblieben ist. Ein erstes
Donnergrollen, das dröhnend über den Himmel rollt, kündigt schlechtes Wetter an.
Peter Hollmann steckt seine Kamera in die Fototasche zurück und beschließt rechtzeitig
umzukehren, bevor der Regen ihn ohne Schutz hier draußen erwischt. Er marschiert
mit ausladenden Schritten seinen eigenen Fußspuren entgegen.
     
    *
     
    Aus der Ferne schneidet das schrille
Signal der Nord-Ostsee-Bahn durch die dicke Luft. Das Blinklicht am unbeschrankten
Bahnübergang Harblek hat noch nicht eingesetzt. Oleander drückt aufs Gas, um noch
vor dem Nahverkehrszug auf die andere Seite der Schienen zu kommen. An der nächsten
Kreuzung biegt er links ab, sieht den rötlichen Schimmer an der Küste. Die ganze
Fahrt über spürt er schon einen unangenehmen Kopfdruck. Seit kurzer Zeit ist es
windstill, ein drückendes Vakuum liegt über der Landschaft. Pechschwarze Wolken
schieben sich zusammen. Eine scharfe Windböe peitscht eine leere Plastiktüte über
die Straße. Sein Ziel ist in Sichtweite. Mitten in der flachen Ebene, etwas abseits
von der Straße, ragen hinter Büschen und Bäumen versteckt die Giebel und Türmchen
des Herrenhauses Hoyerswort hervor. An mehreren Stellen flackert Feuerschein durch
die Zweige.
    Das hätte
ich mir denken können, der Alte veranstaltet die wahre Götterdämmerung. Oleander
kaut verächtlich auf den Lippen, schleicht im Schritttempo an den geparkten Autos
am Straßenrand vorbei und hält nach einer Parklücke Ausschau. Eines muss man dem
alten Herrn lassen, wenn der zum Tanz bittet, wird nicht gekleckert, da wird richtig
geklotzt.
    Oleander
fragt sich insgeheim, ob es bei den Unmengen von Gästen überhaupt auffallen würde,
wenn der Enkel auf dem 85sten gar nicht erschiene. Er hat den Impuls, einfach den
Wagen zu wenden und klammheimlich wieder zu verschwinden. Doch aus beiden Richtungen
nähern sich unentwegt neue Fahrzeuge und stauen sich vor der Auffahrt zum Grundstück,
es gibt kaum ein Weiterkommen. Beidseitig ist der breite Sandweg zum Herrenhaus
bereits zugeparkt. Oleander hat weit entfernt von dem Getümmel endlich einen Platz
gefunden. Nachdem er seinen Wagen eingeparkt hat, nimmt er den Blumenstrauß von
der Rückbank, holt das in Geschenkpapier eingeschlagene Päckchen aus dem Kofferraum
und macht sich zu Fuß auf den Weg. Noch weiß er nicht, dass er nie mehr hierher
zurückkommen wird.
    Die Menschen,
die auf beiden Seiten der Straße aus ihren Fahrzeugen steigen, sind in festliche
Abendgarderobe gehüllt. Die Männer meist im dunkelblauen oder schwarzen Sakko mit
weißem Hemd und Krawatte. Einige tragen sogar Smoking, andere sind in Galauniformen
der Bundeswehr gekommen. Hochhackige Pumps stöckeln über den Asphalt, Ballkleider
werden leicht angehoben, und Diamantschmuck blitzt im letzten Licht des Tages. Oleander
reiht sich unauffällig in den steten Strom ein, der einem Gang über den Catwalk
der Eitelkeiten gleicht. Auf dem Hof hat sich eine Menschentraube gebildet, vor
der Eingangstür zum Herrenhaus ist ein langer schokofarbener Teppich ausgerollt
worden, der mit Feuerschalen flankiert ist. Er kann nur von einem Paar nach dem
anderen betreten werden. Oleander ist einer der wenigen Einzelgänger. Einer der
Bediensteten nimmt seine Einladungskarte in Empfang und lässt ihn durch

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