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Donnerstags im Park - Roman

Donnerstags im Park - Roman

Titel: Donnerstags im Park - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Boyd
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sie möglicherweise übertrieb. Ihr war klar, dass Paare oft keinen Sex mehr miteinander hatten und in getrennten Zimmern schliefen; schließlich waren sie lange verheiratet. Andererseits ahnte sie, dass in jener Nacht etwas Grundlegendes mit George geschehen war. Etwas, das er ihr trotz des gewaltigen Drucks, den sie auf ihn ausgeübt hatte, nicht erzählen konnte. Und sie wusste nicht, worum es sich handelte.
    »Wenn er nicht immer so gewesen ist«, meinte Rita mit fröhlicher Stimme, »muss er jetzt auch nicht so sein, oder?«
    Jeanie zuckte mit den Achseln. »Wahrscheinlich nicht. Keine Ahnung, warum …«
    Rita wartete, aber Jeanie schwieg.
    »Schätzchen, am Ende läuft’s darauf hinaus, dass du nicht alt bist, arbeiten und auf keinen Fall aufs Land ziehen willst. Was bedeutet, dass die Lage ernst wird. Wenn er dich von einer Abendeinladung wegzerrt, ist das nervig, jedoch nicht fatal. Aber Dorset? Das Land ist abscheulich, vergiss das nicht: überall Dreck, und außerdem wimmelt’s da von geschmacklos Gekleideten und Farmläden, in denen der Preis für einen uralten Kohlkopf doppelt so hoch ist wie die britische Staatsverschuldung.«
    Sie mussten beide lachen.
    »Ich teile ihm also mit, dass ich nicht alt bin, den Laden nicht aufgebe und keinesfalls aufs Land ziehe.«
    »Genau!« Rita hielt Jeanie die Hand zum Abklatschen hin. »Aber im Ernst, Jeanie: Es wird Zeit, dass du dich wehrst.«
    »Er ist wirklich kein schlechter Mensch, Rita … Ich glaube, er kann einfach nicht anders.« Ihre Freundin verdrehte die Augen und verabschiedete sich mit einem Winken. Dabei schwang ihre Tennistasche rhythmisch gegen ihren Rücken.
    Später am Abend, als Jeanie in der Küche den Salat fürs Essen vorbereitete – George werkelte in seinem Zimmer an seinen Uhren –, fiel ihr ein, was Tante Norma einmal über die Zeit um die sechzig gesagt hatte.
    Tante Norma war die einzige Schwester von Jeanies Vater, vor Kurzem neunzig geworden, und lebte zum Glück nach wie vor selbstständig in ihrem Haus in Wimbledon. Sie war eine schlagfertige, vogelartige Frau mit leuchtend blauen Augen wie Jeanie, im Krieg beim MI5 gewesen und hatte sich später ganz allein um ihre Eltern gekümmert. Als sie sechzig wurde, waren beide tot, und Tante Norma, früher die unerschütterliche behandschuhte, huttragende alte Jungfer der Gemeinde, hatte plötzlich ihre künstlerische Ader entdeckt, ihr Esszimmer in ein Atelier verwandelt und zu malen begonnen. »Sechzig, das ist der Himmel«, hatte sie Jeanie eines Tages beim Tee erklärt. »Die Welt hat mit dir abgeschlossen; du wirst faktisch unsichtbar, besonders als Frau. Ich verstehe es als mein drittes Leben. Zuerst kommt die Kindheit, dann das Erwachsenendasein der Konformität – Arbeit, Familie, Verantwortung –, und wenn die anderen glauben, alles sei vorbei, und dich auf den Schrottplatz des Alters werfen, beginnt die große Freiheit! Endlich kannst du sein, was du möchtest, nicht, was die Gesellschaft erwartet, und auch nicht, was du meinst, sein zu müssen.«
    »Ist das keine Frage der Generation?«, hatte Jeanie gefragt. »Die unsere ist durch den Feminismus geprägt. Wir können tun und lassen, was wir wollen.«
    Tante Norma hatte weise genickt und mit funkelnden Augen geschmunzelt. »Ach, tatsächlich? Ich habe das Gefühl, dass der Erwartungsdruck seitens der Familie nach wie vor ziemlich hoch ist.« Sie hatte den Kopf geschüttelt. »Aber was weiß ich schon?«

4
    Am Donnerstag brach Jeanie ziemlich spät zum Park auf. Es war kalt und sah nach Regen aus; trotzdem hielten sich einige gelangweilte Mütter mit ihren Kindern auf dem Spielplatz auf – und der Mann von der vergangenen Woche. Jeanie hatte kaum einen Gedanken an ihn verschwendet und freute sich auch nicht sonderlich, ihn wiederzusehen, weil sie sich lieber ganz Ellie widmete und auf dem Spielplatz noch nie Kontakte zu anderen Erwachsenen geknüpft hatte. Der Mann stand am Kopfende der Metallrutsche, die Dylan auf dem Bauch hinunterglitt, und telefonierte.
    Er winkte Jeanie lächelnd zu, als er sie entdeckte, beendete das Gespräch und steckte das Handy in die Jackentasche. »Hallo … Wie geht’s?«
    »Gut. Und Ihnen?«
    Ellie wollte auf die Schaukel, und eine Weile beaufsichtigten sie ihre Enkel getrennt. Jeanie wich dem Blick des Mannes bewusst aus.
    Dylan tat sich mit einem anderen Jungen seines Alters zusammen und rannte mit ihm um den Platz.
    Der Mann kehrte zur Schaukel zurück. »Tut mir leid wegen

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