Donnerstags im Park - Roman
neulich.«
»Was meinen Sie damit?«
»Ich war ein bisschen … aufdringlich.«
Jeanie lachte. »Kein Grund, sich zu entschuldigen.«
»Nein, aber wahrscheinlich haben Sie mich merkwürdig gefunden.«
Jeanie wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Sie fand ihn nicht merkwürdig, doch er verunsicherte sie.
»Diese Spielplatzsituation ist neu für mich; keine Ahnung, wie man sich hier verhält.« Er lachte verlegen.
»Ach, besondere Regeln gibt’s nicht«, erklärte sie ihm, ebenfalls lachend. »Man muss nur aufpassen, dass nie das eigene Kind schuld ist, wenn was passiert.«
»Man sollte also so schnell wie möglich einen Sündenbock suchen?«
Jeanie nickte. »Klinge ich zynisch?«
Er zuckte grinsend mit den Achseln. »›Realistisch‹ hört sich besser an. Aber egal: Ich lasse Sie jetzt lieber in Ruhe.« Sie beobachtete, wie er durch das Metalltor des Spielplatzes ging und sich über den Zaun am Ententeich beugte.
»Runter … Runter, Gin«, forderte Ellie, und Jeanie spürte die ersten Regentropfen. Sie suchte auf dem Boden des Kinderwagens nach der Plastikhülle, fand jedoch nur eine zerdrückte Packung feuchter Tücher, eines von Ellies abgegriffenen Bilderbüchern und eine faulige Bananenschale.
Der Spielplatz leerte sich schnell. Sie hörte den Mann rufen: »Dylan! Komm, Junge. Gleich fängt’s zu schütten an.«
Während Jeanie die sich heftig wehrende Ellie in den Buggy setzte, fiel ihr auf, dass Dylan nicht auf die Rufe seines Großvaters achtete. Als sie zum Tor und den Hügel hinaufeilte, öffneten sich die Schleusen des Himmels. Jeanie wusste, dass es keinen Sinn hatte, den fünfzehnminütigen Heimweg anzutreten, solange es so goss. Also schob sie den Kinderwagen zu einem Café, das sich nur ein paar Meter vom Spielplatz entfernt befand, obwohl Ellie sich die Lunge aus dem Leib schrie und versuchte, sich aus dem Buggygurt zu winden.
In dem Café hielten sich kaum Gäste auf. Jeanie wählte einen Platz draußen, unter der Markise, damit Ellie herumlaufen konnte, und bestellte eine Tasse Tee für sich selbst und einen Tetrapak Apfelsaft für ihre Enkelin.
Als sie sich mit einem sorgenvollen Blick gen Himmel fragte, wie lange der Regenschauer dauern würde, tauchte Dylans Großvater mit dem Jungen auf.
»Ich schon wieder«, begrüßte er sie, vom schnellen Gehen den Hügel hinauf schwer atmend. Allzu wohl war ihr nicht bei dem Gedanken, dass sie sich in seiner Gesellschaft befinden würde, solange der Sturm wütete.
Dylan lief mit Ellie die Buggyrampe hinauf ins Café und die Stufen wieder hinunter, beide vor Vergnügen glucksend.
»Puh.« Der Mann schüttelte seine Lederjacke aus und hängte sie über eine Stuhllehne gegenüber von Jeanie. Als er ihren grimmigen Blick bemerkte, grinste er spitzbübisch. »Jetzt fehlen nur noch der Duschvorhang und das große, scharfe Messer.«
Jeanie musste lachen.
»Jedenfalls schauen Sie mich an wie einen Massenmörder oder Stalker.«
»Sind Sie das denn?« Sie ertappte sich dabei, wie sie sein wettergegerbtes, attraktives Gesicht genauer betrachtete und darin nicht die Verschlagenheit eines Stalkers, sondern angenehme Offenheit und Gelassenheit entdeckte.
»Nicht dass ich wüsste.«
»Aber Sie können bestimmt meine Reaktion verstehen«, verteidigte sich Jeanie.
Da ertönte ein Schrei, und Ellie lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden. Jeanie hob sie auf. Ihre Backen waren vor Schreck ganz rot. Jeanie drückte sie an sich, um sie zu beruhigen. Dylan beobachtete alles besorgt.
»Ich hab nichts gemacht«, murmelte er mit gesenktem Blick, als wäre er es gewohnt, der Sündenbock zu sein.
»Das weiß ich.« Jeanie ermunterte ihn mit einem Lächeln. »Ellie läuft noch nicht so sicher.«
Dylans Miene hellte sich auf. »Sie ist klein«, pflichtete der knapp Vierjährige ihr im Brustton der Überzeugung bei. »Komm.« Er ergriff Ellies Hand und zog sanft daran, um sie zum Spielen zu animieren.
Es regnete weiter. Die Luft wurde kälter, der Himmel verfinsterte sich, und der Regen lief von dem vorspringenden Dach wie ein Vorhang, so dass sie in ihrer feuchten, kühlen Welt eingeschlossen waren. Einen Moment lang herrschte verlegenes Schweigen.
»Sollen wir singen wie im Film?«, fragte der Mann grinsend. »Zwar bräuchten wir idealerweise eine Nonne mit Gitarre, eine Frau in den Wehen, ein altkluges Kind und einen reformierten Macho, aber da wir das alles nicht haben, müssten wir uns selbst etwas Dramatisches, Düsteres ausdenken, um die
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