Donnerstags im Park - Roman
schüttelte den Kopf. »Sie haben sogar Ellie ins Feld geführt und gesagt, die frische Luft und die Freiheit auf dem Land täten ihr gut.«
»Lächerlich. Um die Kinder geht’s bei so was nie. George wird nicht ohne deine Einwilligung verkaufen.«
Rita war mit Bill verheiratet, der immer tat, was sie sagte, ohne sich je zu beklagen.
»Was will er denn machen?«, fragte Rita. »Dich an den Haaren in seine Höhle schleifen?«
Jeanie musste lachen. »Vielleicht hättest du größere Achtung vor ihm, wenn er es täte!«
Sie wusste, dass Rita George tolerierte, sogar mochte, aber nicht begriff, warum Jeanie sich ihm unterordnete.
»Nein, im Ernst, Schätzchen, was hat er gesagt?«
Jeanie seufzte. »Mich beschäftigt weniger, was er über das Landleben sagt, sondern eher seine Einstellung mir und uns gegenüber. Er hält uns wirklich für alt. ›Wir sind alt … du wirst den Laden nicht ewig weiterführen wollen‹, das waren seine Worte. Ihm gefällt es nicht, wenn ich arbeite. Er geht davon aus, dass wir, sobald ich Vernunft annehme und das Geschäft aufgebe, in den Sonnenuntergang segeln und glücklich bis an unser Lebensende sein können. Als alte Leute.«
Rita begann zu lachen. »Gütiger Himmel.«
»Es wäre alles nicht so schlimm, wenn nur er mir im Nacken säße, aber wenn die eigene Tochter versucht, einen zu beeinflussen, kommen einem Zweifel.«
Sie sah die besorgte Miene ihrer Freundin. »Rita, ich fühle mich nicht alt, sondern fit und voller Lebenskraft. Okay, ich werde schneller müde als früher, und vielleicht vergesse ich auch öfter was, aber wahrscheinlich war ich immer schon ein bisschen vergesslich und bin rasch müde geworden.«
Rita ergriff ihre Hand. »Schau mich an«, sagte sie. »Jeanie Lawson, du bist im besten Alter. Geht ja auch gar nicht anders, denn ich bin genauso alt wie du!«
Jeanie drückte ihre Hand.
»Du bist attraktiv. Keiner würde eine Seniorin hinter dieser Schönheit vermuten.«
Sie fingen beide zu lachen an. »Herzlichen Dank.«
»Ich meine es ernst. Du könntest leicht als achtundvierzig durchgehen.«
»Und was soll ich deiner Meinung nach tun?«
»Eigentlich dreht sich’s gar nicht darum, dass ihr alt seid oder aufs Land ziehen wollt, oder?« Rita musterte Jeanie, die wusste, was nun kommen würde. »Lass uns hier verschwinden, mir ist kalt.« Rita wurde selten warm in diesem, wie sie es nannte, » gottverdammten Klima « .
»Fang nicht wieder damit an«, brummte Jeanie.
»Schätzchen, ich muss leider darauf rumreiten, weil du mir nicht zuhörst. Warum lässt du dich von diesem Mann beherrschen? Du bist eine starke, intelligente Frau, Jeanie. Wach auf. Solche Leute sind raffiniert.«
»Was für Leute? Was meinst du?«
»Leute wie George.« Ihre Freundin führte ihre Tirade unerbittlich fort, während sie den Park durchquerten. »Passiv-aggressive Leute, Kontrollfreaks. Wenn man George so sieht, möchte man meinen, er kann kein Wässerchen trüben. Er ist charmant, höflich und auf ruhige Weise amüsant.«
Jeanie hielt das für eine sehr treffende Beschreibung Georges.
»Doch um es höflich auszudrücken: George setzt seinen Willen durch. Er ist zu clever, um es in meiner Anwesenheit zu machen, aber manchmal blitzt sein wahres Wesen auf. Erinnerst du dich an neulich, als er dich hindern wollte, noch was zu trinken, und dich fast vor der Nachspeise zum Aufbruch gezwungen hat?«
Jeanie nickte.
»Du wolltest nicht gehen, das war Bill und mir klar, und hast dich trotzdem von ihm tyrannisieren lassen. Warum?«
»Weil … Weil er leicht Angst kriegt.«
»Angst?«, platzte Rita heraus. »Du gibst klein bei, weil er sich fürchtet ? Das ist absurd. Wovor sollte er Angst haben?«
Jeanie schüttelte den Kopf. Mittlerweile waren sie auf dem Highgate Hill angekommen, wo sie sich für gewöhnlich voneinander verabschiedeten. Von hier aus ging Rita zu ihrem Haus an einer der baumbestandenen Straßen gegenüber von Kenwood House, Jeanie zu dem ihren am anderen Ende von Pond Square. Sie blieben an der Ecke bei der Bushaltestelle stehen.
»Keine Ahnung. Das ist eben George. Er war nicht immer so.« Sie verspürte das starke Bedürfnis, ihrer Freundin endlich von der Nacht zu erzählen, in der George sie zurückgewiesen hatte, wollte jedoch Ritas Verachtung ihrem Mann gegenüber nicht noch verstärken. Außerdem wusste sie nicht, wie sie die Ungeheuerlichkeit des Ereignisses nach all der Zeit erklären sollte. Im Lauf der Jahre hatte sie zu überlegen begonnen, ob
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