DoppelherzTOD
Bespitzelung unbescholtener Bürger, Anmaßung von Polizeibefugnissen. Ich muss Ihnen, Herr Ehrlicher, doch nicht aufzählen, gegen welche Gesetze Sie gerade verstoßen haben.«
Das musste die Frau Hauptkommissar nicht. Ehrlicher fragte sich, wer die Polizei alarmiert hatte. Er und Brigitta hatten im Haus Roseneck offensichtlich nicht nur Freunde. Aber das bestärkte ihn nur in seinem Verdacht. Er würde der Kommissarin alles erklären. Mord. Hosfeld hatte recht gehabt. Es war Mord. Er konnte es ihr beweisen.
»Das Motiv! Die Neumann-Sinsmann und der Burger, sie hatten eins! Hier, lesen Sie!«
Die Hauptkommissarin schaute nicht in die Papiere, die ihr Ehrlicher hinhielt. Sie blieb unbeeindruckt und sagte kein Wort. Der Sieger des Rennens gab dem Reporter im Fernsehen ein Interview und lächelte glücklich.
»Ich gestehe Ihnen alles.« Ehrlicher hob seine Handfessel mit bittendem Blick. »Könnten Sie vielleicht darauf verzichten?«
Dann ließ die Stimme der Kommissarin den Himbeergeist in der Flasche gefrieren. »Nein, darauf möchte ich nicht verzichten.«
»Ich habe den Beweis. Frau Neumann-Sinsmann und Herr Dr. Burger hatten…«
»Erzählen Sie es mir in der offiziellen Vernehmung. Dann höre ich Ihnen gern zu, Herr Ehrlicher. Sehr gern höre ich Ihnen dann zu.«
Auch um die zarten Hände Brigittas klickten die Handschellen. Bruno konnte ihr nicht mehr helfen. Warum blonder Stern, warum bist du sofern…
16.
Er hatte Jahrzehnte auf der anderen Seite dieses Schreibtischs gesessen. Der stand noch immer an seinem Platz. Ehrlicher saß davor und betrachtete den Raum aus völlig neuem Gesichtswinkel. Vieles hatte sich im Büro geändert. Die Pflanzen waren noch zahlreicher als zu seinen Zeiten. Am Fenster blühte ein Kaktus. Von einem Brett hing ein Porzellanblümchen. Und neben dem Tisch stand ein Ficus. An der Schreibtischlampe baumelte ein Kettchen. Ein Plüschlöwe brüllte auf dem Aktenschrank. Die Regale waren neu und aus Naturholz, die meisten Fächer nur halb gefüllt. Die Rücken der Ordner zeigten verschiedene Farben und waren handbeschriftet. Ein Fernseher stand im dritten Fach und ein DVD-Player. Ehrlicher fühlte sich an Brigittas Zimmer erinnert.
Hauptkommissarin Agnes R. Schabowski beschaute sich ihre Fingernägel. Sie lackierte sie rot.
Die Chefin der Mordkommission eins hatte Ehrlicher die Demütigung nicht erspart. Wie ein Verbrecher war er ins Präsidium geführt worden. Im Glaskasten am Einlass hockte ein Praktikant, der ihn nicht kannte. Glücklicherweise begegneten sie in den Fluren kaum einem Menschen. Nur Beierlein von der Wirtschaft grüßte lächelnd. Vielleicht nahm er’s als Witz. Trotzdem würden die Handschellen und Agnes R. morgen im ganzen Präsidium Gesprächsstoff Nummer eins sein. Noch in Jahren würden sie über seine Festnahme sprechen. Ehrlicher hätte schreien mögen. Er schwieg. Agnes R. schwieg. Nur die Handschellen nahm sie ihm ab, bevor sie sich setzte. Dann wies sie ihm mit einem Kopfnicken auf seinen Stuhl für die Zeugen. Er sah aus dem Fenster. Auf dem Dach gegenüber turtelten Tauben.
Die Hauptkommissarin hüstelte. »Welche Erklärung haben Sie für Ihr Verhalten?«
Er fühlte sich wie damals in der Schule vor dem Direktor. Mehrmals hatte der ihn wegen ungebührlichen Verhaltens getadelt. Einmal war Bruno nicht zum Subbotnik erschienen, weil ihm das Rendezvous mit der Klassenschönsten Helga Raumer wichtiger war. Nur hatte Helga ihre Verabredung nicht eingehalten und schaufelte fleißig Quadersteine beim freiwilligen Arbeitseinsatz der FDJ. Bruno hatte seinen Liebeskummer ertränkt, er war gerade fünfzehn geworden. Die anderen Tadel des Herrn Direktor waren für ihn aus weniger existenziellen Gründen erfolgt. Eine Wandtafel hatte er mit Margarine beschmiert, keine Kreide schrieb mehr darauf. Seine Eltern mussten den Schaden bezahlen. Dem prüden Mathelehrer hatten sie ein Aktbild zwischen die Seiten des Klassenbuchs geschoben. Solche Fotos waren in seiner Jugend sehr selten. Das Bild wurde beschlagnahmt. Die Täter wurden zum Direktor zitiert und sahen ihr schuldhaftes Verhalten schnell ein. Bruno war natürlich unter ihnen. Nach dem Tadel lachten sie noch einmal herzlich über das angeekelte Gesicht ihres Lehrers. Für die Klassenkameraden waren sie Helden. Jetzt saß Bruno Ehrlicher in seinem eignen Büro, und seine Nachfolgerin kannte keine Gnade.
»Ich habe den Beweis für den Mord an Margot Wendel und Hans-Jürgen Porstmann.«
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