Doppelte Schuld
Mann war blaß und hatte einen hellbraunen Flaum auf dem Kopf anstelle von Haaren. »Dann will ich nicht stören.« Er ging wieder.
Katalina atmete tief ein und wieder aus.
»Der Tote suchte jedenfalls nach einem Blindenhund«, sagte Faber und reichte ihr den Mullverband. Das Pflaster und die Kompressen behielt er in der Hand.
»Schreibst du’s bitte an?« Katalina streckte die Hand nach dem Pflaster aus. Der Blindenhund. Da war er wieder.
»Und dann hat’s ihn erwischt. Denk an meine Worte, Katalina.« Faber wackelte mit dem Kopf, reichte ihr aber immerhin die Ware. »Also wie immer auf Kredit«, sagte er seufzend. »Das Linozelid kannst du in zwei Stunden abholen.«
Draußen vor der Apotheke wartete Zeus und sprang an ihr hoch, was er nur machte, wenn er sie trösten wollte. Sie tätschelte ihm den Kopf und ging die Tränkestraße hoch zum Markt. Es war ihr nicht gleich aufgefallen an diesem elenden Abend im Hotel, als sie die weiße Frau vom Kirchplatz und ihren schwarzen Anubis wiedergesehen hatte. Und sie hatte es vergessen, bis heute früh, als die Kripo nach ihrem Parfüm fragte.
Sie benutzte keines. Aber sie erinnerte sich wieder an das Parfüm der Frau, dessen Geruch vom Nebentisch zu ihr herübergeweht war. Ein Duft nach Bergamotte. Nach Vanille. Und nach Narzissen. Ein ähnlicher Geruch hatte über dem Toten geschwebt.
Sie ging die Marktstraße hinunter bis zum Schnappelberg und dann ein Stück die Hasselfelder Straße hoch. Die Luft stand, der Himmel war grau geworden, kein melancholisches, eher ein kämpferisches Grau. Ein Stahlgrau. Hoffentlich wartete das Gewitter, bis sie Frau Willkes altem Labrador eine Stärkungsspritze verabreicht hatte. Die Willke hatte vorhin angerufen und es dringlich gemacht. Ob auch das eine Art Solidaritätsbeweis war?
Sie drückte die Hoteltür auf. Als erstes schlug ihr der Duft entgegen. Bergamotte und Vanille. Narzissen. Und dann stand sie vor ihr. Die Hohepriesterin mit Anubis.
Helle blaue Augen in einem Gesicht voller Kanten und Schatten. Als sie lächelte, veränderte sich ihr Gesicht dramatisch, es sah verwegen aus, dieses kleine, schiefe Lächeln, es erinnerte Katalina an jemanden, aber an wen?
»Sie sind also doch nicht verhaftet worden«, sagte die Frau und streckte ihr die Hand entgegen. »Ich bin Mary Nowak.«
Dünne, trockene Haut, braune Flecken, ausgeprägte Knöchel. »Nein, sie haben mich wieder laufenlassen. Katalina Cavic«, antwortete sie und erwiderte den Händedruck. Die Frau war älter, als sie wirkte. Und sie wirkte von nahem durchaus nicht bedrohlich, höchstens – ungewöhnlich.
»Ich wollte Sie kürzlich schon besuchen in Ihrer Praxis, Lux hier …« Der schwarze Schäferhund saß neben seiner Herrin und konzentrierte sich auf Zeus, der die Rute dezent schwenkte, obwohl sein Interesse unübersehbar war. »Sie hustet. Manchmal. Das gefällt mir nicht.« Sie tätschelte den Hund. Dann lächelte sie wieder.
Die Frau trug enge dunkle Hosen und eine teuer wirkende Jacke. Was suchte sie ausgerechnet hier in Blanckenburg? Und vor allem – wer hatte den Detektiv auf sie angesetzt?
Ohne es zu wollen, lächelte Katalina zurück. Aber Mary Nowak blickte an ihr vorbei, auf etwas hinter ihr. Mit einem Seufzen ging die Hoteltür auf, und ein Schwall kühler Luft strömte herein. Man hörte eine vertraute Stimme.
Katalina drehte sich um. Die Kripo. Köster und Sager standen in der Tür. Ihr wurde flau. Die Quälerei ging also wieder los.
Aber auch diese beiden sahen an ihr vorbei.
14
Mary machte keine Anstalten, auf die beiden Männer zuzugehen, bei deren Anblick Katalina Cavic geradezu geflüchtet war. »Kriminalhauptkommisar Kurt Köster«, sagte der eine, ein bulliger Kerl mit kurzgeschorenem Kopf, und räusperte sich. »Wir hätten da ein paar Fragen an Sie.«
Der andere, jünger, gut aussehend, mit Brille, setzte ein gewinnendes Lächeln auf und ging mit ausgestreckter Hand auf sie zu. »Kriminaloberkommissar Jens Sager«, sagte er. »Verzeihen Sie die Störung, gnädige Frau.«
Schon besser, dachte Mary und hob die Augenbrauen. »Mary Nowak«, sagte sie dann. »Kann ich Ihnen helfen?«
»Wollen Sie nicht …?« Die Willke schien im Hintergrund gelauert zu haben. »Im roten Salon, da ist es doch vielleicht …?«
Bequemer. Und nicht ganz so auffällig, falls doch noch Gäste kommen. Mary verstand. Sie ging mit Lux voran und setzte sich auf den Sessel am Kamin, eine strategische Position, von der aus sie die Szene dominieren konnte.
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