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Doppelte Schuld

Titel: Doppelte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Dame fühlte sich vertraut an – und irgend etwas sagte ihr, daß der Lady nicht zu trauen war. Und wieso interessierte sich die Polizei neuerdings nicht mehr für Katalina Cavic, ihre bosnischen Wurzeln und ihre Abneigung gegen Parfüm, sondern für eine Dame, die von einem ganz speziellen Duft Gebrauch machte?
    Katalina versorgte die Schnittwunde im Bad und war fast erstaunt über das Gesicht, das sie im Spiegel über dem Waschbecken erblickte. Es sah verloren aus und unendlich müde.
    Der Duft. Er hatte auch über dem Toten geschwebt. Sie spürte ihr Herz schlagen, fast schmerzhaft. War Mary Nowak eine Mörderin?
    In dem Alter? Die Frage war die Antwort. Außerdem wirkte die Dame außerordentlich fit, und Taiji, dachte Katalina, ist eine Kampfsportart.
     
    Sie versuchte, dem müden Gesicht im Spiegel zuzulächeln, aber das sah noch trauriger aus. Sicher, es war nicht gerade unangenehm, daß das Interesse der Polizei endlich jemand anderem galt. Auch wenn man fast etwas vermißte. Aber das änderte nichts daran, daß die Kunden ihr zu mißtrauen begannen. Zweifel lag über allem. Und sie selbst zweifelte am meisten – an sich selbst natürlich.
    Draußen heulte der Sturm immer schriller. Und dann tat es einen gewaltigen Schlag. Das Haus schien sich von seinem Fundament zu erheben und dann ächzend wieder zurückzusinken. In der sekundenlangen Stille, die folgte, klang das Telefon wie ein Signal aus einer anderen Welt. Sie lief in den Flur.
    »Katalina, ich weiß, es ist im Moment nicht sehr gemütlich draußen. Aber komm bitte.« Tenharden klang bedrückt.
    »Ist was mit Marten?« Es mußte Marten sein.
    »Es sieht schlecht aus. Er ruft nach dir.«
    »Frank, du weißt, daß er einen Arzt braucht.«
    »Ein Arzt würde ihn sofort ins Krankenhaus einweisen. Und ich habe ihm das versprochen, Katalina, als er noch halbwegs bei Verstand war: keine Intensivstation, keine Kabel und Schläuche.«
    Worum er sie bat, war unterlassene Hilfeleistung, wenn nicht Schlimmeres, dachte Katalina. Sie wußte nicht, welches Strafmaß darauf stand. Aber es würde die Frage zweifelsfrei entscheiden, ob sie in Blanckenburg bliebe oder nicht.
    »Ich komme«, sagte sie.
    Sie lief auf Strümpfen in den Flur, schlüpfte in die Gummistiefel und griff sich die Jacke vom Garderobenhaken. Dann öffnete sie die Haustür, die der Wind ihr heulend aus der Hand riß. Sie stemmte sich gegen die bockende Eichentür und holte tief Luft. Draußen war es noch nicht völlig finster, man sah dunkle Wolkenfetzen über den Himmel rasen und den Widerschein eines Blitzes. Die Bäume vor dem Haus schwankten und stöhnten.
    Ungemütlich war gar kein Ausdruck. Sie hob die Schultern und steckte die Hände in die Jackentaschen. Mit der rechten Hand ertastete sie etwas, etwas Kühles, Schweres aus Metall. Erst erinnerte sie sich nicht, aber dann fiel es ihr wieder ein. Sie hatte vor einigen Tagen die Pistole mitgenommen, die der alte Gotsky in der Praxis aufbewahrt hatte. Sei kein Idiot, hatte sie sich noch gesagt, als sie das Ding entlud und säuberte und dann samt Magazin in die Tasche gesteckt hatte. Wer weiß, wozu es gut ist, hatte eine andere Stimme geantwortet. Es ist etwas faul in Blanckenburg. Und es kann nicht verkehrt sein, sich darauf einzustellen.
    Zeus ließ sich noch immer nicht blicken. Soeben hatte sie beschlossen, ihn zu Hause zu lassen, als er ankam, ein bißchen geduckt und mit gesenkter Rute, als ob er sich für seine Feigheit entschuldigen wollte.
    Hinter ihnen knallte die Tür zu, mit einer Gewalt, die das alte Fachwerkhaus erzittern ließ. Katalina drehte den Schlüssel zweimal im Schloß und spurtete zum Auto, Herrin und Hund sprangen fast gleichzeitig hinein. Wenigstens hier drinnen war es einigermaßen windstill, und die Kiste sprang sogar an. Sie legte den Gang ein und fuhr langsam los. Blitze flammten über den dunklen Himmel. Die Bäume im Schloßpark bogen sich, ihre Äste und Zweige schlugen nach dem Wagen, den sie mit Mühe in der Spur hielt. Sie sah das Hindernis fast zu spät, der alte Opel schlingerte, als sie bremste. Ein Baum lag über dem Weg, das mußte sie gehört haben, vorhin, diesen Schlag und das Splittern und Bersten danach.
    Katalina wendete, ein umständliches Manöver auf dem schmalen Pfad, und fuhr zurück. Es regnete noch immer nicht. Der Wind trieb Zweige und Blätter und eine Plastiktüte über die Straße und wiegte den alten Opel wie ein abgetriebenes Boot. Sie parkte ihn neben dem Kutscherhaus und ließ den

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