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Doppelte Schuld

Titel: Doppelte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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Hund aus dem Auto. Zeus würde klatschnaß werden, wenn es endlich zu schütten begann, was nur eine Frage der Zeit war. Und weiß der Himmel, ob ihre Jacke noch wasserdicht war.
    Der Fußweg nach Cattenstedt führte durch den Park zum Kirchplatz. Die Baumgiganten über ihnen knarrten, als ob sie sich vom Boden losreißen und davonmarschieren wollten. Auf dem Kirchplatz erfaßte sie der Sturm mit voller Wucht. Katalina stemmte sich nach vorn, die Regenjacke knatterte, sie mußte den Mund öffnen, um Luft zu kriegen. Über der bizarren Kulisse der Felsen an der Teufelsmauer zuckten die Blitze. Der Gegenwind nahm erst ab, als es den Fußweg hinabging.
    Kein Laut kam vom Teich, an dem sonst die Frösche quarrten. Kein Licht im Hotel »Vogelherd«. Alles war dunkel. Sie schlüpfte unter dem Weidezaun hinter dem Sportplatz hindurch auf die Koppel. Das Flüßchen namens Jordan murmelte aufgeregt. Und jetzt kamen dunkle Gestalten auf sie zu. Katalina blieb stehen. Die beiden Schwarzwälder Füchse trabten heran, Wind in den Mähnen. Dann näherten sich auch die anderen Pferde, es war, als ob es sie beruhigte, zwei ihnen bekannte Kreaturen zu treffen. Katalina tätschelte dem Haflingerfohlen den schlanken Hals und strich mit der Hand über die warmen Nüstern von Othello, der leise wieherte. Sie wäre am liebsten geblieben. Aber sie durfte nicht zu spät zu Marten kommen. Sie lief weiter, schneller jetzt.
    Der Gedanke an den alten Mann machte ihr das Herz schwer. Er redete ein bißchen viel, er trank ein bißchen mehr, und er war nicht immer ganz klar im Kopf. Aber er war ein liebenswürdiger Kerl, von einer eigenartigen Unschuld, die sie berührte. Tenharden empfand das ähnlich.
    »Ich hab’ den lästigen Kerl geerbt«, hatte er mal gemurrt, auf seine übliche kurz angebundene Art. »Aber nun lasse ich ihn mir auch nicht mehr nehmen.«
    Jetzt wird er dir wohl doch genommen, dachte Katalina. Gegen den Tod hilft kein Beten. Und Marten war alt, er hatte wenigstens sein Leben leben dürfen, nicht wie Gavro, den sie töteten, als er noch nicht einmal 35 Jahre alt war. Ihre Augen brannten. Endlich öffneten sich über ihr die Schleusen. Sie begann zu laufen, gefolgt von Zeus, es waren nur noch wenige Meter bis zum Rittergut, aber der Regen drang in Sekunden durch Regenjacke und T-Shirt, und ihr wurde kalt, obwohl sie schwitzte.
    Die Hunde bellten. Zwei dunkle Schatten flogen auf sie zu, das Kläffen ging in begeistertes Winseln über. Sammy, der Bordercollie mit Berner-Senner-Einschlag, leckte ihr die Hand, und Max, eine Mischung aus allem möglichen, ließ sich vor ihr auf den Boden fallen. Unter dem Ziegeldach über dem Tor, auf das der Regen trommelte, war es trocken. Zeus schüttelte sich die Tropfen aus dem Fell, dankbar für die Verschnaufpause. Und dann veränderte der Regen den Ton. Katalina spähte aus der Toreinfahrt hinaus in den Hof, den sie überqueren mußte zur Wohnung von Marten. Auch in Cattenstedt war es finster, kein Licht brannte. Der Regen rauschte nicht mehr, er prasselte auf das Pflaster. Wie kleine Kieselsteine. Hagel.
    Sie blickte auf Zeus, der neben ihr saß und zu ihr aufsah, das Gesicht die reinste Duldermiene. »Komm«, sagte sie. Dann sprinteten sie los, auf das schwankende Licht zu, das sich jetzt gegenüber am Fenster zeigte. Der Hagel traf Katalinas Gesicht wie kleine spitze Dolche.
    Die Tür öffnete sich, Tenharden winkte ihr mit einer Taschenlampe zu. »Danke«, sagte er und zog sie hinein.
    Draußen schien sich der Sturm noch zu steigern. Blitz und Donner folgten jetzt dicht aufeinander. Zeus schüttelte sich, während Katalina aus der nassen Jacke schlüpfte. »Ich mußte das Auto stehenlassen«, sagte sie. »Ein umgestürzter Baum.« Tenharden nickte und ging ins Bad, um ihr ein Handtuch zu holen. Sie folgte ihm in das Schlafzimmer des alten Knechts.
    Marten hatte rote Flecken im Gesicht und atmete hastig und flach. Sie betrachtete ihn im Kerzenlicht, während sie sich die Haare trockenrieb. Wie ein Kind sah er aus mit dem fast zahnlosen Mund und der durchsichtigen Haut, die sich um seinen haarlosen Schädel spannte. Marten war immer mager gewesen, aber jetzt wirkte seine Gestalt erbärmlich dünn unter der Bettdecke. Tenharden stellte ihr den Stuhl neben das Bett. Als sie dem Kranken die Hand auf die Stirn legte, schlug der Alte die Augen auf und lächelte.
    »Schnaps!« sagte er zur Begrüßung.
    Frank Tenharden sah Katalina an, zog die Augenbraue hoch und griff dann hinter sich, auf den

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