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Doppelte Schuld

Titel: Doppelte Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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»Du hast schon schlimmer ausgesehen«, sagte sie und lächelte ihrem Spiegelbild zu.
    Dann holte sie den roten Kaschmirpullover aus der Kommode. Farbe half. Manchmal.
    Bevor sie mit Lux das Hotelzimmer verließ, ging sie noch einmal zurück ins Bad. Wer in die Offensive geht, sollte sein Markenzeichen nicht vergessen. Vol de Nuit. Das Parfüm gehörte zu ihr wie die Intrige zu Martin Axt. »Die vibrierende Huldigung an alle Frauen, die es verstehen, gekonnt Risiken einzugehen«, hieß es in einem alten Werbetext.
    Genau, dachte sie.
    Sie hatte die Botschaft verstanden. Der Feind war da, er wußte, wo er sie finden und wie er sie treffen konnte. Sie war bereit.
    Carlo »Ich bin hier nur die Vertretung« war wie immer mit dem Computer beschäftigt und sah nicht auf. Ausnahmsweise hatte er nichts Eßbares in der Hand. Sie wußte mittlerweile, an wen er sie erinnerte. An den Zimmerkellner von Schmidts Hotel, Sammi wurde er genannt, der ihr und Paul Grunau Wodka und Schnittchen brachte oder Sekt und Kaviar. Er war ein schlanker, unauffälliger, farbloser Mann gewesen, nie hatte er neugierig gewirkt oder Fragen gestellt, stets war er mit gesenktem Blick durch das Zimmer gehuscht, selten hatte man ihn lächeln gesehen. Sammi war äußerst verschwiegen gewesen. Er verriet, was er gehört und gesehen hatte, nur einer Instanz. Pauls Konkurrenten bei der Stasi.
    Sie war bereits auf dem Weg hinaus, als Carlo ihr hinterherrief: »Ihre Freunde sind da, im roten Salon.«
    Köster stand schon, und Sager erhob sich, als sie den Raum betrat.
    »Und womit kann ich Ihnen diesmal helfen?« Sie wollte souverän wirken, aber sie klang nur spöttisch. Die Hartnäckigkeit der beiden Ermittler irritierte sie. War ihnen noch etwas eingefallen seit gestern? Oder hatte der Gegner sie mit neuem Material versorgt?
    Sie setzte sich, als ob sie eine Audienz gewährte, und erlaubte den beiden Herren mit großer Geste, das gleiche zu tun. Autoritäres Auftreten half meistens, vor allem bei autoritären Menschen. Man muß den Kopf immer oben behalten, hatte Mutter gesagt, die das beherrschte wie keine andere. Wahrer Adel bedeutet Haltung.
    Köster hob die Nase, als nähme er Witterung auf. Das Parfüm, natürlich. Sager hatte den Notizblock aufgeklappt und begann zu skizzieren.
    »Wovon leben Sie eigentlich?« fragte er freundlich.
    »Und was glauben Sie?« Sie lehnte sich entspannt zurück.
    »Eine Rente kriegen Sie nicht. Jedenfalls keine von der Bundesrepublik Deutschland.« Er sah auf, runzelte die Augenbrauen und widmete sich dann wieder seiner Zeichnung.
    »Ich brauche keine staatlichen Zuwendungen.« Henry hatte für sie gesorgt.
    »Natürlich nicht. Sie haben sich auf andere Weise abgesichert, nicht wahr?« Sagers Stimme schnurrte.
    »Man nennt es auch Unterschlagung.« Köster zeigte weniger Feingefühl. »Sie haben sich an Vermögen bereichert, das rechtmäßig der Bundesrepublik Deutschland gehört.«
    Mary lehnte sich zurück. Die Sache begann, interessant zu werden. Martin Axt mußte die beiden minutiös informiert haben – desinformiert, natürlich. Sie wartete ab.
    »Kommen Sie, Frau Nowak! Tun Sie doch nicht so!«
    Köster beugte sich vor und fixierte sie aus seinen geröteten Augen. »Man hat bislang gut eineinhalb Milliarden Euro wiedergefunden, die in den Wirren der Wende von DDR-Funktionären auf die Seite geschafft worden sind. Aber ein paar Milliönchen fehlen noch.«
    »So etwa dreihundert«, assistierte Sager und blickte prüfend von seinem Skizzenblock auf, als wolle er die Falten nachzählen, die er von ihrem Gesicht abgemalt hatte. »Es wird vermutet, daß sie auf diverse Banken und Konten im Ausland ausgelagert wurden.«
    »Und wir vermuten, daß Sie mehr darüber wissen.«
    »Ich?« Mary lächelte, während sie angestrengt nachdachte.
    »Auch Benjamin Dimitroff wußte davon. Er war Ihnen auf der Spur. Er hat Sie nach Blanckenburg gelockt. Und als er Sie zu erpressen versucht hat, haben Sie …« Köster machte eine vielsagende Handbewegung, die über seinem Kehlkopf endete.
    Verblüffend, dachte Mary, so nah dran und doch so verkehrt. Aber es wunderte sie nicht. Die Kripo hatte ihre Informationen von jemandem, der sich auf Desinformation und Intrige verstand wie kaum ein anderer.
     
    Am Tag als Paul Grunau und Benny Dimitroff nach Bovey Tracey kamen, war es warm gewesen, zu warm für die Jahreszeit und zu warm in ihrer Küche. Dennoch hatte sie irgendwann zu frösteln begonnen.
    »Natürlich wußten wir es. Schon

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