Doppeltes Spiel (German Edition)
Verlobten etwa schon vorgefahren und hatte vergessen, dass sie gemeinsam nach Avignon fahren wollten? Er ging zur Tür, die nicht abgeschlossen war. Das hatte allerdings nicht viel zu bedeuten, denn Sandrine schloss nie ab, wenn sie nur kurz zum Einkaufen ins Dorf fuhr.
»Philippe?«, rief er. »Margo? Ist jemand zu Hause?«
Stille.
Er machte kehrt und ging zum Jeep zurück. Als er einsteigen wollte, ließ ihn ein Impuls innehalten. Er schloss die Tür wieder und ging ums Haus herum in den Garten.
Sie saß unter dem alten Feigenbaum und war in ein Buch vertieft, ein zweites lag neben ihr auf der Bank. Margo las ein Buch? Das war genauso absurd wie der Gedanke, dass Philippe sich zum Schmökern in den Garten zurückzog.
Er blieb stehen und betrachtete sie. Das seidige, dunkelblonde Haar fiel weichgelockt in ihr Gesicht, das in den paar Tagen eine sanftgoldene Farbe angenommen hatte. Sie hatte eine Strähne um den Zeigefinger gewickelt und drehte sie gedankenverloren zu einer festen Locke, während ihr Blick über die Zeilen des Buches wanderte. Augen wie strahlende Juwelen, dachte er und musste über den abgegriffenen Vergleich schmunzeln.
Jetzt streckte sie ein Bein auf der Bank aus und legte das andere darüber. Ihre Hose war weit und bequem, ebenso das Hemd, das mit seinem warmen Honigton die Farbe ihres Haars betonte und das sie offen über einem eng anliegenden schwarzen Trägerhemdchen trug. Sie war barfuß, und er verlor sich im Anblick ihrer langen, wohlgeformten Füße. Sie trug weder Nagellack noch Make-up, und sie sah so ganz und gar nicht wie die elegante, kühle Margo aus, die er in den letzten beiden Jahren gelegentlich getroffen hatte. Wie kam es nur, das sie ihm so verändert erschien? Lag es daran, dass er sie zum ersten Mal wirklich wahrnahm und dass sie in ihm Gefühle zum Schwingen brachte, von denen er geglaubt hatte, sie seien für immer tot und verdorrt?
Er bewegte sich, und sie schaute auf. Ihr Blick traf auf seinen und verschränkte sich mit ihm. Ihre klaren, graugrünen Augen blickten verschattet und ernst, beinahe traurig. Er sehnte sich danach, zu ihr zu gehen, sie in die Arme zu nehmen und ihr zu sagen, dass sie nicht traurig sein sollte, dass er bei ihr sein und immer bei ihr bleiben wollte, bis ans Ende ihrer Tage ...
Margos Gesicht belebte sich. Sie legte das Buch beiseite und streckte die Hand aus. »Nicholas«, begrüßte sie ihn mit ihrer warmen, dunklen Stimme. »Ich habe gerade an dich gedacht - wie schön.«
Er war mit ein paar Schritten bei ihr, ergriff ihre Hand und drückte einen Kuss darauf. Sie lächelte ein wenig verlegen und zog die Hand zurück. »Möchtest du dich setzen?« Sie schwang ihre Beine von der Bank und rückte beiseite.
Nicholas blieb stehen. »Wo ist Philippe?«
Ihr Blick flackerte. »In Avignon.« Sein Gesichtsausdruck schien deutlich zu sagen, was er dachte, denn sie fügte eilig hinzu: »Wir haben uns gestern gestritten. Deshalb hat er in seiner Wohnung in der Stadt übernachtet.«
Das hatte er allerdings nicht, sonst hätte Tante Geneviève es erwähnt, als sie heute Morgen mit ihm telefonierte. Nicholas presste die Lippen zusammen. Es konnte doch wahr sein, dass Philippe sogar jetzt die Stirn hatte, sich mit einer seiner kleinen Freundinnen zu treffen! Die arme, ahnungslose Margo!
»Er hat mich gestern übrigens gebeten, seine Frau zu werden«, sagte Margo und verzog dabei die Lippen zu einem ironischen Lächeln.
Nicholas starrte sie an. »Du ... du weißt, was er treibt?!«
Sie zuckte die Achseln. »Es ist seine Sache«, erwiderte sie gelassen.
Nicholas fühlte, wie sich ein heiße, dunkelrote Wolke des Zorns über ihn senkte und seinen Blick verdunkelte. »Ich bringe ihn um«, knurrte er und machte auf dem Absatz kehrt.
Er hörte, wie das Buch zu Boden fiel und das Geräusch nackter Füße auf dem Kies. Margo war aufgesprungen und hinter ihm hergelaufen und packte ihn jetzt am Ellbogen, hielt ihn auf. »Lass ihn«, sagte sie scharf. »Misch dich nicht ein, Nicholas. Das geht nur ihn und mich etwas an!«
Er war so wütend, dass er sie am liebsten geschlagen hätte. Sie wich keinen Zentimeter zurück, sondern blieb dicht bei ihm, Auge in Auge mit ihm stehen. »Misch dich nicht ein«, wiederholte sie etwas sanfter. »Er tut mir damit nicht weh, also musst auch du nicht ...«
»Er tut dir nicht weh?«, rief er und packte sie bei den Schultern. »Er betrügt dich, du weißt, dass er es tut, und du bist trotzdem so ruhig und kalt, dass
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