Doppeltes Spiel (German Edition)
an und betupfte ihre Stirn und Wangen damit. Dann wusch sie sich die Hände, fuhr ordnend durch ihre Haare und kehrte zurück in den Gastraum.
»Was hast du eben im Auto über deinen Bruder erzählt?«, lenkte sie das Gespräch entschlossen auf das einzige Thema, das sie wirklich interessierte. Es war ihr gleichgültig, was Philippe darüber denken mochte.
Der dachte sich anscheinend nicht das Mindeste, sondern wiederholte gehorsam, was er auf der Fahrt hierher schon gesagt hatte. Lysette wagte nicht, genauer nachzufragen, weil sie nicht wusste, inwiefern Margo in die Familiengeheimnisse eingeweiht worden war, aber aus dem, was Philippe ausplauderte, konnte sie sich immerhin einiges zusammenreimen.
Nicholas war also verheiratet gewesen, und zwar mit einer Frau namens Adrienne. Die hatte ihn verlassen - an dieser Stelle wurde Philippe ziemlich vage.
Nicholas hatte die Trennung schlecht verkraftet. Er hatte sich zurückgezogen, eine Zeit lang regelrecht in sein Weingut verkrochen und niemanden von der Familie sehen oder sprechen wollen.
Wenig später zog der junge Amerikaner bei ihm ein, ein Umstand, der dem Klatsch im Dorf kräftige Nahrung gab. Philippe schwieg und sah sie vielsagend an.
»Was wird denn geklatscht?«, fragte Lysette verständnislos.
Philippe druckste ein wenig herum. »Na, was man eben so erzählt, wenn einem Mann die Frau davonläuft und er danach mit einem anderen Mann zusammenlebt, von dem jeder weiß, dass er schwul ist«, sagte er schließlich ärgerlich.
Lysette konnte nicht anders, nach einem kurzen Moment völliger Verblüffung begann sie laut zu lachen. Ein paar Gäste drehten sich zu ihr um.
»Margo!«, zischelte Philippe.
»Aber das ist doch wirklich zu absurd«, sagte sie, immer noch lachend. »Ich verstehe nicht, wieso du nicht mitlachst.«
Philippe sah sie säuerlich an. »Nun, ganz von der Hand zu weisen ist der Gedanke schließlich nicht.«
»Philippe, sei kein Idiot.« Lysette konnte nicht verhindern, dass das »Idiot« nicht sehr liebevoll klang. Philippe verzog das Gesicht. Er sah aus wie ein beleidigter kleiner Junge.
»Bitte, wie du meinst«, schnappte er und griff ostentativ nach seinem Handy, um eine SMS einzutippen.
Lysette verdrehte die Augen. Margo würde wahrscheinlich wissen, was sie tat, aber es war schwer nachzuvollziehen, warum sie ausgerechnet diesen Mann heiraten wollte.
Das Dessert verzehrten sie in eisigem Schweigen. Lysette verspürte nicht die mindeste Lust, sich mit Philippe zu versöhnen.
Zum Kaffee kam der Besitzer des Restaurants an ihren Tisch und fragte, ob alles zu ihrer Zufriedenheit gewesen sei. Philippe unterhielt sich länger mit ihm, und Lysette nutzte die Gelegenheit, noch einmal den Waschraum aufzusuchen. Dort stand sie eine Weile und schimpfte halblaut auf diesen bornierten Dummkopf, der ihr zukünftiger Schwager war. Als eine erstaunt dreinblickende Frau aus dem hinteren Bereich der Räumlichkeiten auf sie zukam, verstummte sie mit einem verlegenen Lächeln und beglückwünschte sich im Stillen dafür, dass sie auf Deutsch geflucht hatte.
Philippe hatte bereits gezahlt und wartete auf sie. Er tat immer noch gekränkt. Während der relativ kurzen Rückfahrt ins Mas schwieg er verstimmt, und als sie ankamen, öffnete er ihr die Tür, wartete, bis sie ausgestiegen war und setzte sich wieder ins Auto. »Ich muss noch mal in die Kanzlei, ich habe dort ein wichtiges Schriftstück vergessen«, sagte er kurz. »Warte nicht auf mich. Wir sehen uns morgen.«
Lysette sah den roten Rücklichtern des Peugeots nach. Dann streckte sie die Arme zum Nachthimmel, jauchzte erleichtert und ging ins Haus, das sie in dieser Nacht ganz für sich allein hatte.
7. Kapitel
E s war still und friedlich im Mas. In der Küche klapperte Sandrine mit dem Frühstücksgeschirr, das sie in die Spülmaschine lud. Sie hatte Lysette das Frühstück serviert, ohne nach Philippe zu fragen oder eine Bemerkung darüber zu verlieren, dass der Hausherr über Nacht nicht zu Hause gewesen war. Anscheinend war das wirklich nichts Neues oder Ungewöhnliches.
Lysette hatte die Bibliothek entdeckt, die neben Philippes Arbeitszimmer lag. Es fand sich hauptsächlich juristische Fachliteratur darin, aber auch ein Haufen zerlesener Romane in billigen Taschenbuchausgaben, die üblichen Klassiker, ein paar Krimis und, zu Lysettes Überraschung, eine Handvoll Bücher über Weinbau und Weinherstellung. Sie blätterte neugierig in einigen Büchern herum und nahm dann zwei davon mit:
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