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Dorfpunks (German Edition)

Dorfpunks (German Edition)

Titel: Dorfpunks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rocko Schamoni
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Kissen waren an ihnen hängen geblieben. Er sah aus wie ein Ewok aus «Die Rückkehr der Jediritter», ein Ewok mit Wurzelentzündung.
    Ich hatte meine herausgenommen, weil ich das Zahnspangengefühl, das man beim Beißen auf das Metall bekam, auf Dauer nicht mochte. Zwar durchstachen wir noch öfter unsere Wangen, aber eher um des Durchstechens willen als um des Tragens der Nadeln. Jedes Mal warnte mich meine Mutter vor den Konsequenzen. «Wenn du die Nadeln nicht herausnimmst, bleiben die Löcher für immer, und beim Trinken fließt dir das Getränk aus der Backe.» Ach, du dickes Osterei, schlimme Aussichten, das Getränk kommt durch die Backe, na, dann nehme ich die Nadeln wohl lieber raus.
    Aber es gab auch Verletzungen, die wir uns nicht mutwillig beibrachten.
    Im Sommer waren wir, wie gesagt, oft den ganzen Tag am Strand. Abends gingen wir dann zu Danemann. Das war ein kleiner Imbiss in Grotewacht am Strand, ein Familienbetrieb, bestehend aus einem Grill, einer Getränkebude und vier kleinen Basthütten, die mit den Vornamen der Familienmitglieder des Imbissbesitzers versehen waren. Hans Danemann stand immer hinter der Fritteuse, manchmal mit einem blauen Auge oder irgendeiner Verletzung, die er sich in einer Prügelei mit einem betrunkenen Gast zugezogen hatte. Wir liebten ihn wegen seiner ruhigen, groben, etwas mürrischen, aber trotzdem gutmütigen Art. Er mochte uns wohl auch, kam aber immer wieder an unsere Tische und bat uns mit Rücksicht auf die Touristen um Ruhe. Wir waren Freud und Pein zugleich für ihn. Freud wegen unserer Lebenslust und unserer Konsumfreude, Pein wegen unserer Unbremsbarkeit. Über viele Jahre blieben wir ihm treu, und es war ein besonderer Tag, wenn im Frühjahr, nach einer langen und kalten Pommes-Durststrecke, Danemann endlich wieder aufmachte.
    «Sach ma, hat Danemann eigentlich schon auf?»
    «Nee, ich glaub, morgen ist erster Tag.»
    «Okay, dann sach ich allen Bescheid und ruf noch ’n paar Leute aus Eutin und Timmendorf an. Also morgen um acht.»
    Alle kamen, wir feierten, und hier nahm ich auch das erste Mal harte Drogen. Jemand hatte Speed aus Hamburg mitgebracht. Mehrere der anwesenden Punks nahmen es durch die Nase ein und boten mir auch davon an. Ich hatte Mordsrespekt vor dem Zeug, außerdem hatte ich Christiane F. gelesen und glaubte die mir dort vermittelte Botschaft. Aber die, die es genommen hatten, lachten mich aus, und am Ende ließ ich mich doch überreden, eine kleine Portion eingewickelt in etwas Zigarettenpapier runterzuschlucken. Voller Angst erwartete ich die Wirkung und versuchte mir die Übergangsphase mit etwas Lambrusco zu erleichtern. Ich hatte keine Ahnung, was auf mich zukommen würde, und war auf das Schlimmste gefasst, irgendeine Art Horrortrip oder so. Nach etwa einer Viertelstunde fing die Wirkung langsam an und entfaltete sich dann in der Stunde darauf gänzlich. Die Angst wich vollkommen von mir, machte einer stürmischen Euphorie Platz, die ich so noch nicht erlebt hatte. Später lernte ich dieses Gefühl als Zusammenfassung aller Lügen in mir neu lesen. Damals aber erschien es mir wie ein Himmel voller Geigen. Mein Motor brauste auf, meine ohnehin schon nervöse und schnelle Art beschleunigte sich auf Turbo, die Worte kamen wie Geschosse aus mir, und in meinen Mundwinkeln bildeten sich kleine Schaumkronen. Ich hätte alle gleichzeitig umarmen können und rannte aufgedreht zwischen den Pommes-Hütten hin und her. Dieser Moment sollte bitte nie aufhören. Ich konnte nicht verstehen, warum nicht alle Menschen überall und immer auf Speed waren. Speed war billig, Speed wirkte lange, und vor allem wirkte es atemberaubend. Ich hatte das Gefühl, im Drogenbereich endlich das Pendant zu meinem Wesen gefunden zu haben. Ab jetzt nicht mehr dieses läppische Ephedrin, von dem man mindestens acht Pillen nehmen musste, und dann bekam man doch nur Kopfhautjucken. Speed war eine echte Droge, eine schwarze Droge, etwas ganz anderes. Ich wurde der beste Freund von Typen, mit denen ich sonst eigentlich nichts zu tun haben wollte, mein Mund formulierte ferngesteuert Worte der Nähe und Verbindlichkeit, für die ich mich im Nachhinein schämen musste, denn sie waren gelogen. Als die Wirkung nach etwa sechs Stunden nachließ, ging es mit meiner Laune steil bergab. Damit hatte ich nicht gerechnet. Dass das ja auch mal wieder aufhören würde. Ich versuchte, die Übergangssituation mit Alkohol auszukleiden, konnte mich aber eines leeren, kalten und schalen

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