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Dorfpunks (German Edition)

Dorfpunks (German Edition)

Titel: Dorfpunks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rocko Schamoni
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verpasst hatten, und auf einmal schloss Meier, und wir standen allein auf einem leeren Parkplatz in Behringsdorf an der Ostsee. Also gingen wir die zehn Kilometer bis nach Schmalenstedt zu Fuß zurück. An jeder Bushaltestelle hielten wir an und setzten uns zum Knutschen ins Häuschen. Ich setzte mich auf die Bank und sie sich auf meinen Schoß. Die Sonne stieg im Osten über dem Meer auf, und Dunst lag über dem großen See, dem Schilf, den Wäldern und Flüssen zu unseren Füßen im Tal. Kein Auto fuhr, es war warm, wir brauchten keine Jacken. Die Straße gehörte uns ganz alleine, wir gingen Hand in Hand. Wegen des Küssens brauchten wir sehr lange, bis wir in Schmalenstedt waren. Und dort entschied sie sich, mit mir zu kommen, zu mir nach Hause. Ich freute mich wahnsinnig. Zu Hause ließen wir die Badewanne ein und badeten gemeinsam. Dann gingen wir ins Bett.
    Ich sah sie nicht regelmäßig, manchmal trafen wir uns auch mehrere Wochen nicht. Eigentlich war ich noch nicht bereit für die Liebe. Jennifer, meine Traumfrau, war zu früh gekommen. Zwar gingen wir noch öfters von Meier zu Fuß nach Hause, aber ich konnte ihr kein Gefühl von Verbindlichkeit geben. Ich hielt Abstand, und sie erkannte das und ließ mich ziehen. Es war nicht fair von mir, aber ich wusste es nicht besser, wollte mich nicht binden, drei Kinder kriegen, ins Berufsleben einsteigen, ein Haus kaufen, pensioniert werden und sterben. Sie natürlich auch nicht.
    Jennifer hing immer zusammen mit Sybill bei Lara rum. Lara hatte eine eigene Wohnung in Schmalenstedt und war die Wildeste der drei. Sie hatte blonde Haare, und ihr schönes Gesicht war von Narben gezeichnet, die sie sich bei einem Autounfall zugezogen hatte. Entstellen konnten sie sie nicht. Sie war trinkfest, sehr lustig und pflegte einen souveränen Umgang mit Entspannungsmitteln. Schließlich probierten wir damals alles aus, nur Heroin war tabu. Piekmeier, Pelle, Fliegevogel, Flo und ich waren oft dort, denn zwischen mir und Jennifer gab es keine Ressentiments.
    Komischerweise kamen wir Jungs immer zu Lara nach Hause, sie und die beiden anderen Mädchen hingen nie mit uns am Marktplatz ab. Ich glaube, das wäre ihnen zu piefig gewesen, sie waren, wie gesagt, schon älter und cooler. Bei Lara gab es auch keine musikalischen Geschmacksgrenzen, dort konnten wir ungestraft Howard Jones, Thompson Twins und vor allem und immer wieder Sade hören. Jeden Tag und immer wieder Sade. Ihre Stimme wurde zum Inbegriff meiner Sehnsucht, die erst mit Jenny verbunden war, um dann wieder ohne Ziel zu schweifen. Zwar hörte ich zu Hause Buzzcocks und Der Plan und auf dem Marktplatz The Exploited, aber bei Lara war auch normaler Poprock okay.
    Es gab noch ein Mädchen, das mich beeindruckte. Ihr Name war Kirsten Lebowski, sie war etwas jünger als ich und erschien ziemlich unvermittelt, quasi aus dem Nichts auf dem Plan. Sie trug ihre schönen Haare zu einem langen, dicken Zopf gebunden, hatte ein hübsches Gesicht, geschmackvolle Landpopperklamotten und eine weibliche und gleichzeitig sportliche Figur. Sie erinnerte mich immer an das Klischee eines sibirischen Mädchens, in meiner Vorstellung kam sie direkt aus der Taiga. Sie war ziemlich verrückt, und wenn sie etwas getrunken hatte, verdrehte sie allen Typen den Kopf. Bei Meier zog sie mich hinter ein Auto, um mich leidenschaftlich zu küssen, aber keine zehn Minuten später hatte sie den nächsten Typen am Wickel. Sie genoss ihre Anziehungskraft und ging damit ziemlich willkürlich um. Das verdrehte mir den Kopf, und ich verliebte mich in sie. Ich stellte mir vor, wie ich mit ihr auf einem Bärenfell unter dem Sternenhimmel in der Bärenschlucht lag, mit Wein und gebratenen Hähnchenkeulen. Es sollte so großzügig aussehen wie bei den römischen Orgien in Asterix und Obelix. Ich stellte mir vor, wie ich mit ihr in der Transsibirischen Eisenbahn durch die russische Weite fuhr, eingegraben in ihre Röcke, vorbei an eisigen Feldern, auf dem Weg zu einer warmen Datscha. Wir telefonierten täglich und besuchten uns oft. Wenn meine Mutter mich ins Wohnzimmer rief, weil Kirsten am Telefon war, bekam ich feuchte Hände. Sie sollte es sein. Aber der Funke sprang nicht auf sie über. Sie verbrachte Zeit mit mir und genoss unser Zusammensein, aber verliebt in mich war sie nicht. Sie genoss den Zustand des Verehrtwerdens, ohne mir etwas zurückzugeben. Das frustrierte mich zunehmend. Im Winter fuhr ich mit Langlaufskiern zu ihr, in meinen

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