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Dorfpunks (German Edition)

Dorfpunks (German Edition)

Titel: Dorfpunks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rocko Schamoni
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Staatsfeinde natürlich sehr. Eines Tages beschlossen wir, im Wald eine Party zu feiern und als Ehrengast Pierre Bollwinkel einzuladen. Dietrich, Pelle und ich fuhren erst zu Käthe und dann zum «Haus ohne Gesetze». Wir klopften an Pierres Tür, hörten von drinnen aber nur ein undeutliches Gemurmel. Wir klopften erneut und immer wieder. Eine Stimme, offenbar vom Kissen gedämpft, rief matt: «Nein, ich will nicht, ich komm nicht aus dem Bett.» Pierre wollte nicht aufstehen. Seine Tochter kam vorbei, und wir sagten ihr, dass wir ihren Vater zu einer Waldparty mit Bier einladen wollten. Sie hatte einen Schlüssel und ging in die Wohnung, um mit ihm zu reden. Als er begriff, dass es um echtes Bier ging, erwachten seine Lebensgeister, und er ließ seine Tochter ausrichten, er käme gleich. Nach einer weiteren Viertelstunde öffnete sich die Tür, und ein gut gelaunter Pierre Bollwinkel mit zurückgekämmten Haaren stand in alter Hose und zahnloser Frische vor uns, bereit für Liter. Wir fragten, ob er Lust auf unsere Party hätte. Eigentlich antwortete er nicht, er ging einfach mit. Wir setzten ihn in Dietrichs Käfer auf die Rückbank und fuhren los. Alle Versuche, mit Pierre zu kommunizieren, versanken in einem willenlosen, freundlichen Loch. Er hatte mit Worten nicht mehr viel zu tun. Im Wald, am Funkturm, an dem großen Picknicktisch saßen schon diverse Kumpels und begrüßten, als wir ankamen, mit einem großen Hallo unseren Ehrengast. Er wurde an die Oberseite der Tafel gesetzt, und wir kredenzten ihm Bier und Korn, die er freudig zu sich nahm. Alle Versuche zu einer sprachlichen Kontaktaufnahme scheiterten an seinem kryptischen Genuschel. Nach kurzer Zeit wurde die Bank unter ihm nass. Wir mussten uns ein wenig von ihm wegsetzen. Jemand sagte ihm, dass er doch bitte mal auf Klo gehen solle, sprich ans Gebüsch. Das tat er auch artig. Wir halfen ihm auf, er stellte sich an einen Busch und hielt die Hand vor den Hosenschlitz, um loszupinkeln, nur leider ließ er die Hose dabei zu. Mit dem frohen Gefühl, das Richtige zu tun, pisste er sich so richtig voll. Hopfen und Malz waren in Pierre verloren, das begriffen wir jetzt. Zwei Bier später fing er an nach vorne überzukippen, er hatte bereits wieder das starke Bedürfnis zu schlafen. Schließlich luden wir ihn in Dietrichs Käfer, den wir vorher mit Plastiktüten ausgekleidet hatten, und fuhren ihn nach Hause. Er hatte nur fünf Bier getrunken, war aber schon in einem Zustand, dass wir ihn in sein Bett tragen mussten. Unsere Abschiedsworte blieben unerwidert, und wir fuhren zurück in den Wald. Dieser Auftritt unseres Ehrengastes gab uns auf seine wortlose Art zu denken. Wir beschlossen, sofort aufzuhören mit dem Gesaufe, und feierten das wild und ausgiebig mit viel Alkohol.

Wildern
    Das meiste Land in unserer Gegend gehört den Grafen. Überall stehen ihre prunkvollen und riesigen Anwesen, Villen, Schlösser in den Wäldern und Auen, an den Seen, an den schönsten Punkten. Um sie herum darf niemand bauen, sie bestimmen, wer in ihrer Nähe leben darf. Sie haben diese wunderschöne Landschaft schon vor Jahrhunderten auf ewig gerecht unter sich verteilt. Wir anderen, die Mehrheit, sind dort nur Zaungäste, zerfressen vom Sozialneid.
    In den herrschaftlichen Wäldern gibt es Zuchtgebiete, in denen die Tiere für die Treibjagden der Grafen leben, die ein paar Mal im Jahr abgehalten werden. Dann reist, je nach Jagd, niederer bis feinster Adel an, um sich an dem fürstlichen Vergnügen zu beteiligen. Mit dem Fernrohr habe ich als Kind beobachtet, wie im Dosautal vor unserem Haus so eine Jagd stattfand. Besonders fielen mir die feinen fetten Tanten in edler Waldgarderobe auf, die ihre Schrotflinten wie Gießkannen des Todes benutzten. Da es bei ihrem beträchtlichen Gewicht ohnehin nicht mehr möglich war, sich an die Beute heranzuschleichen, gingen sie einfach zu den Rebhühnern hin, die durch Handfütterung weitestgehend die Scheu vor den Menschen verloren hatten und dumm schauend stehen blieben, und kippten ihr Blei mit ohrenbetäubendem Krach in die Landschaft und auf das ahnungslose Federvieh. Zurück blieb nichts als eine Rauchwolke und eine Art Buletten aus Fleisch, Federn und Schrotkörnern. Da man so etwas nicht essen kann, wurden die Kadaver anschließend weggeschmissen. Ein Trecker fuhr vor, mit zwei Hängern hintendran. Diese wurden nun mit den zerschossenen Hasen und Hühnern gefüllt. Einige Tiere waren noch essbar. Ein paar bekam, in einem Akt der

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