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Dorfpunks (German Edition)

Dorfpunks (German Edition)

Titel: Dorfpunks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rocko Schamoni
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man Püppchen meiner Art auch auf anderen Planeten aussetzen konnte. Weil Götter Wunder erschaffen. So was bringt Spaß. Sie spielten Siedler mit mir. Ich war ein Test ihrer Intelligenz. Und ich konnte ihnen nichts beweisen. Was sollte ich denn tun? Dem Busfahrer die Hand abhacken und sie triumphierend zum Himmel halten? «Hier, ich hab’s gewusst, alles nur Draht und Blech, gebt mir eine Freundin aus Fleisch und Blut, und ich will zufrieden sein!»
    Ich achtete bei Menschen auf Wunden. War dort etwas Silbernes zu sehen? Oder in den Nasenlöchern? In meinen Wunden war nur Fleisch und Blut. Ich war echt. Ich hatte schon Tiere von innen gesehen. Sie mussten auch echt sein, in ihnen war nur organische Masse, keine Technik. Es gab also Leben auf diesem Planeten. Ich war mir ziemlich sicher. Aber wahrscheinlich kein intelligentes, außer mir. Was für perfekte Kreaturen die Robotermenschen um mich herum waren, was für leistungsfähige Computer in ihnen stecken mussten, um sie so echt, so schlau, so komplex wirken zu lassen. Vielleicht musste ich sie einfach nur so akzeptieren, wie sie waren, die Welt so nehmen, wie sie war. Es war doch alles ganz okay. Oder nicht?
    An einem Freitagabend wartete ich in Stelling auf den Bus. Er hatte Verspätung, und ich nutzte die Zeit, um Zigaretten auf Vorrat zu drehen. Eine alte Dame stellte sich an das Halteschild und lehnte sich an. Sie hatte eine sonderbar eingeknickte Haltung. Ihr Gesicht war starr, die Augen erloschen, und sie konnte sich kaum auf den Beinen halten. Schließlich kam der Bus, und ich griff nach meiner Arbeitstasche, um aufzustehen. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie die alte Dame kippte, sie fiel geradewegs vor das anhaltende Fahrzeug und wurde unter den Vorderrädern begraben. Sie gab keinen Laut von sich. Ich erstarrte vor Schreck, ließ die Tasche fallen und sprang nach vorne. Der Bus stand mittlerweile, und unter dem Reifen spratzten Funkenschauer hervor. Die Haare der Frau hatten sich gelöst, und eine silberne Kugel war darunter zum Vorschein gekommen, ein Arm war ganz verbogen, Stahl stak aus den Gelenken. In ihren gebrochenen Augen blitzten Dioden. Ich bekam keine Luft und taumelte rückwärts. Also doch. Die Passanten im Bus, der Fahrer, die Wartenden an der Haltestelle starrten mich ausdruckslos an. Was jetzt? Alles war aufgeflogen, wie sollte ich reagieren, wie sie? In der Zentrale herrschte Uneinigkeit darüber, alle Maschinen waren vorübergehend gestoppt.
    Was hätte es mir gebracht wegzurennen? Wohin sollte ich in dieser Filmstadt, in dieser Weltattrappe? Es war ja sowieso nichts echt. Ich war also der Einzige. Aber warum war ich mir da so sicher? Vielleicht waren ja noch andere hier ausgesetzt. Mir blieb nichts anderes übrig, als unbeteiligt stehen zu bleiben, ihre Blicke zu ignorieren. Ich stieg in den Bus, die Türen schlossen sich, und ich wurde über die Felder transportiert, nach Hause, wo ich in diesem Spiel hingehörte.

Kontakt nach ganz oben
    In der Sendung «Musik für junge Leute» war immer wieder die Rede von der Hamburger Szene, von Sigurd Müller, Beauty Contest, Prince of the Blood und vor allem von Alfred Hilsberg, dem Chef von allem, was cool war. Er war der Magnat, der alle Fäden in der Hand hatte, ohne den nichts lief, der Malcom McLaren Deutschlands. Zumindest dachten wir auf dem Land uns das so. Vielleicht konnte ich ihm ja auch mal was von den Amigos anbieten, vielleicht würde ihn das interessieren. Gerne hätte ich Kontakt mit Hilsberg aufgenommen, um ihm zu zeigen, dass wir Dorftypen auch was draufhatten. Aber wie sollte einer wie ich Kontakt zu einem wie ihm kriegen? Mehr aus Interesse als mit Absicht blätterte ich einmal in einem Hamburger Telefonbuch, das bei uns zufälligerweise herumlag, und schaute unter H nach. Ich traute meinen Augen nicht, als dort sein voller Name mit der Berufsbezeichnung «Medienbearbeiter» stand. Das konnte doch nicht wahr sein! Warum sollte ein derartiger Tycoon seinen gewaltigen Namen in so ein Buch schreiben lassen? Ich spielte mit dem Gedanken anzurufen. Wenn er sich auf so eine Art und Weise in die Öffentlichkeit begab, wenn er die Tür zu seinem Kosmos für alle öffnete, warum sollte ich das dann nicht nutzen? Das war ja geradezu eine Aufforderung an mich.
    «Hier bitte meine Nummer, Roddy Dangerblood, ruf doch an, wenn du magst.» Stalker-Gedanken. Aber was sollte ich ihm sagen? Was wollte ich von ihm? Egal, erst handeln, dann denken, die Worte liegen im Unterkiefer bereit. Ich

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