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Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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ausgezahlt: Ich hatte die besten Fechtlehrer aus dem ganzen Reich kommen lassen, hatte Tage damit verbracht, die immer gleichen Schrittfolgen zu üben. Es hatte mich nicht losgelassen. Ich hatte gewusst, nein gefürchtet, dass sich all die Mühe eines Tages lohnen würde. Welch bittere Erkenntnis.
    »Ich …«
    Ich wollte etwas zu meinem Weggefährten sagen, der dort in aller Frühe und voller Rüstung stand. Aber es war mir entfallen.
    »Du brauchst etwas zum Anziehen, Herr«, vollendete Hermelink stattdessen seine Version meines begonnen Satzes. »Und ein warmes Kaminfeuer.«
    Und damit hatte er sicherlich nicht ganz unrecht.
    Er zog einen seiner schweren Handschuhe aus und legte mir die Hand auf die Schulter, um mich behutsam nach drinnen zu schieben. Meine nackten und zerschundenen Füße patschten auf dem nassen Dach.
    Was für ein eigenartiger Morgen!
    Die Aufregung saß tief wie ein Stachel. Und wie ein zappelnder Fisch an der Angel wand sie sich und ließ den Körper nicht zur Ruhe kommen.
    Nachdem ich mich angezogen hatte, holte ich in der Küche eine Kanne Kräutertee und einige Streifen Pökelfleisch und begab mich in die Kammern des Torhauses, direkt über dem Fallgatter. Hermelink wartete auf mich. Zwar war es seinem Alter nur gemäß, dass sich die ersten sichtbaren Falten auf dem Antlitz zeigten, doch seines war heute von Sorge völlig zerfurcht.
    Auf einen Wink von ihm verließ der zweite Wachsoldat das Innere des Torhauses und begab sich auf das zinnenbewährte Dach über uns.
    »Drei unerwartete Besucher«, resümierte er mit düsterer Miene. »Und keiner von ihnen hat gute Neuigkeiten mit sich gebracht. Der Letzte war gar der Schlimmste. Die Götter mögen wissen, was geschieht, wenn ein Kampf zu seinen Bedingungen stattfindet.«
    Ich schlürfte an meinem Tonbecher Tee. »Ich glaube, er hatte nicht erwartet, auf solche Gegenwehr zu treffen.«
    Hermelink zog die Augenbrauen hoch. »Ich danke den Göttern dafür, dass es so war. Aber den Fehler begeht dieser Kerl nicht noch einmal.«
    Besorgt nickte ich. »Das nächste Mal wird er versuchen, das Mädchen alleine zu erwischen.«
    »Eben das beunruhigt mich noch mehr«, gab Hermelink zu. »Diese Sache mit der Elbin.«
    »Du weißt, wie ich dazu stehe.«
    Er nickte knapp. »Dagegen habe ich auch nicht viel einzuwenden. Aber ich muss dich darauf aufmerksam machen, dass du bisher nicht einmal weißt, was es mit dem Mädchen überhaupt auf sich hat.«
    Ich ließ ein nachdenkliches Brummen vernehmen. In der Tat, das wusste ich nicht. Und ich musste es herausfinden, bevor ich nach Anselieth abreiste. Alles andere wäre unzumutbar. Ich konnte sie nicht in der Obhut meiner Leute lassen, wenn nicht geklärt war, was das Mädchen umtrieb. Es seit denn …
    »Ich nehme sie mit«, beschloss ich kurzerhand.
    Hermelink verschluckte sich an seinem Tee und begann tief und kehlig zu husten. Er schlug sich mit der Hand vor die Brust.
    »Du willst was ?«
    »Du hast mich schon verstanden. Ich will sie in die Hauptstadt mitnehmen.«
    »Bist du dir eigentlich darüber im Klaren, wie viel Aufsehen du damit erregst, Herr? Das ist die Gelegenheit für den düsteren Kerl von vorhin, sich wieder an die Kleine ranzumachen.«
    »Ich kann sie auch nicht hierlassen«, gab ich zu bedenken.
    »Hm«, machte Hermelink. »Das ist in der Tat eine Zwickmühle.«
    »Wenn ich etwaige Probleme von Falkenberg fernhalten möchte, werde ich sie mitnehmen müssen. Hier ist die Kleine ebenso wenig sicher.«
    Hermelink nickte. Er mochte den Gedanken überhaupt nicht, aber eine bessere Lösung fiel selbst ihm nicht ein.
    »Und dich nehme ich auch mit«, ergänzte ich.
    »Das überrascht mich nicht. Jova hatte so etwas vermutet.«
    Ich seufzte. Jova war Hermelinks liebe Frau und Mutter seines Sohnes, der gerade angefangen hatte, in der Garde zu lernen. Diese Familie lag mir sehr am Herzen, weil es gute Freunde waren. Die gütigsten und bescheidensten Seelen, bei denen man einkehren konnte. Eigentlich wollte ich Hermelink nicht von ihnen fortnehmen – denn niemand wusste, wie lang der Aufenthalt dort dauern würde. Aber Hermelink war mein bester Mann. Der Allerbeste. Ein fähiger und mitunter weiser Führer für die wenigen Soldaten und Soldatinnen Falkenbergs. Und wenn sich ohnehin schon alles verkomplizierte, dann wollte ich ihn an meiner Seite wissen. Hermelink wusste oft am besten, was zu tun war. Seine Lösungen waren mitunter so einfach wie pragmatisch. Eigentlich war er bei dem Unterfangen

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