Dorn: Roman (German Edition)
nächsten Biegung im Gang schleuderte ich die Scheide erneut nach ihm. Ich traf nicht, aber durch das instinktive Ducken kam er aus dem Tritt.
Endlich, im Schein der im Gang hängenden Lampen konnte ich meinen Widersacher besser erkennen.
Er trug Kleidung aus einem gräulichen, aber sehr dunklen Leder. Eine auffällig gebogene Nase zierte sein Gesicht, das einen bräunlichen Teint aufwies. Sein Haar war rabenschwarz. Womöglich war er gar nicht aus dem Ehernen Reich.
Wieder rollte er sich ab, doch ich kam heran und schlug zu. Diesmal war Schekich endlich in der Defensive. Die Klingen sangen ihr klirrendes Lied vom Tod durch die vom Lampenschein spärlich erhellten Gänge der Burg.
Als Schekich erneut eine seiner eleganten Körperdrehungen vollführte, spritzte Blut an die Wände. Ich hatte ihn zweifelsfrei irgendwo getroffen, aber seine dunkle Kleidung und der rasend schnelle Kampf ließen mich die Stelle nicht ausmachen. Auch schien ihn die Verletzung nicht sonderlich zu beeinträchtigen.
Schekich trat nach mir und obwohl er mich nicht traf, musste ich doch ausweichen und er gewann Zeit, um den Gang einige Schrittlängen weiter hinunterzuhetzen. Er fand eine Tür hinaus – sie führte auf ein als Zwischenplateau ausgebautes Dach, von dem aus es nur drei kleine Stufen bis hinauf auf den offenen Wehrgang der Mauer waren. Die nächtens brennenden Kohlefeuer, die im Hof auf den beiden Türmen und dem Torhaus loderten, tauchten alles in einen schwachen, gelblichen Schein.
Ich wusste nicht, was Schekich vorhatte. Er hetzte über das Dach auf den Wehrgang, mit mir auf den Fersen. Ich missachtete die kleinen Steinchen, die meine nackten Füße zerkratzten und holte noch im Laufen zu einem Schlag aus, der Schekich jedoch verfehlte. Doch zwanzig Schrittlängen weiter, in der Tür, die in den nächsten Turm führte, bahnte sich das Ende der Auseinandersetzung an.
Hermelink, mein Wachhauptmann, stand dort in seiner Rüstung. Schekich drehte sich um und hielt mich mit einem Schlag auf Distanz. Doch Hermelink kam bereits herbeigeeilt und zog sein Schwert.
Der finstere Eindringling war auf dem Wehrgang zwischen uns gefangen und das wusste er.
»Pah«, schrie er. Es klang seltsam erregt. »Das war eine gute Partie. Die werde ich so schnell nicht vergessen. Aber bitte vergiss auch du meine Worte nicht, Graf: Ich will das Elbenmädchen und ich bekomme, was ich will!«
Und mit diesen Worten tat er einen Schritt zur Seite, stieg auf eine der Burgzinnen und ließ sich von dort in die Schwärze der Nacht hinunterfallen.
Kapitel 2
Das Echo der Nacht
Was sollte bloß aus uns werden, wenn wir uns nicht einmal mehr im Schlaf sicher fühlen können?
»Was machst du hier?«, fragte ich Hermelink völlig außer Atem, während ich noch mit bloßem Oberkörper auf der Zinne lag und in die Dunkelheit unter mir starrte. Dort war Schekich hinuntergestürzt. Bei den Göttern, wie hatte er das bloß angestellt? Was war das für ein außergewöhnlicher Kerl?
»Was meinst du, Herr?«, kam die Gegenfrage.
Ich kletterte von meiner Zinne runter und musterte meinen Hauptmann. Er trug seine Rüstung als wäre er im Dienst.
»Es ist noch eine Stunde bis Sonnenaufgang, Herr«, erklärte Hermelink sich schließlich, als ich in meiner Verwirrung keine Anstalten machte, mich weiter auszuführen. »Ich habe gerade meine Wachzeit begonnen.«
War es wirklich schon so spät? Oder besser gesagt: So früh? Ich fühlte mich unglaublich unausgeschlafen. Vor allem jetzt, wo das heiße Blut des Kampfes wieder abkühlte – und mit ihm auch der Rest von mir. Ich stand, nur mit einer Leinenhose bekleidet und meinem Schwert in der Hand, hier draußen auf dem Wehrgang. Die Steine waren feucht vom Regen und der Wind fegte in einem leichten Frühjahrssturm böig über die Tannenwipfel.
Tatsächlich, am östlichen Horizont war bereits ein blasser Streifen auszumachen. Hatte ich tatsächlich so schlecht geschlafen? Oder hatte ich mich nur so spät zur Ruhe gelegt?
Es war egal. Nun war ich wach. Und jetzt noch etwas Schlaf nachzuholen, würde kaum möglich sein. Nicht, wenn man einen gedankenschweren Brummschädel besaß und gerade um sein Leben gefochten hatte. Wobei … hatte dieser Fremde, Schekich, überhaupt nach meinem Leben getrachtet? Wahrscheinlich nicht. Dennoch war es das erste Mal gewesen, dass ich meine Fechtkünste in einem ernsthaften Duell unter Beweis hatte stellen müssen.
Zwölf Jahre härtester Übung hatten sich zumindest einmal
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