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Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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fast unentbehrlich, wenn ich das Elbenmädchen Lia wirklich mitnehmen wollte.
    Außer ihm brauchte ich noch eine Person. Und nach dieser hatte Lia sogar ausdrücklich verlangt.
    »Grüß Jova von mir!«, sagte ich. »Und deinen Jungen auch. Wir werden den heutigen Tag noch für Reisevorbereitungen verwenden und morgen bei Tagesanbruch aufbrechen.«
    Hermelink nickte. Es schmeckte ihm nicht wirklich, aber ich war mir sicher, dass er den Sachverhalt ähnlich beurteilte wie ich. Er wusste ebenfalls, dass ich kaum auf ihn verzichten konnte.
    Ich hatte mich mit bemerkenswerter Appetitlosigkeit an die Tafel in der Halle gesetzt und betrachtete nachdenklich eine kleine Auswahl unterschiedlich gereifter Hartkäsesorten, als Lia eintrat. Sie war ausnahmslos hübsch anzusehen. Aber angesichts des neuen Tags in der ihr völlig fremden Umgebung einer Burg, die von Menschen erbaut wurde, wirkte sie etwas tapsig. Keinesfalls verschlafen, aber auf eine ihr eigene Art und Weise doch unsicher. Dies war nicht ihre Welt. Wie sollte sie es auch sein?
    »Guten … Morgen«, gab sie artig von sich und blieb einige Schrittlängen von mir entfernt stehen. Ihren Rucksack hatte sie mit dem langen Riemen über den Rücken geworfen. Natürlich würde sie ihn nicht unbeaufsichtigt lassen.
    »Guten Morgen!«, bekräftigte ich. Der Morgen war zumindest entschieden besser als die vergangene Nacht. Dann nahm meine Irritation zu, weil Lia einfach mitten in der Halle stehenblieb.
    »Setz’ dich!«, versuchte ich es. Obwohl mir meine nächtlichen Eskapaden deutlich in den Knochen steckten, konnte ich ihr nicht böse sein. Das wäre auch ungerecht gewesen, schließlich war ich es, der sie unter meinen Schutz gestellt hatte. Die Konfrontation mit Schekich hatte mich sogar darin bestärkt, Lias Absichten noch einige Vorschusslorbeeren mehr zu gewähren. Leute wie Schekich verfolgten einen nicht, wenn man mit dem Gesetz in Konflikt geraten war. Er hatte mich ernsthaft bedroht. Das würde er wohl kaum getan haben, wenn er lauterer Dinge gewesen wäre.
    »Möchtest du … etwas essen?«, versuchte ich es vorsichtig, als Lia sich schüchtern einen Stuhl am gegenüberliegenden Ende der Tafel zurechtrückte.
    »Etwas Obst hätte ich gern«, sagte sie. »Wenn ich darf.«
    »Warum solltest du nicht dürfen?«, entgegnete ich und wies auf die hölzerne Obstschale in der Mitte der Tafel. Das Elbenmädchen stand wieder auf und bediente sich. Sie fischte einige der Birnen heraus, die den Winter über im Keller gelagert hatten, tat sie in eine improvisierte Schale, die sie aus ihrem Rock formte und mit einer Hand vor sich her trug. Erst jetzt fiel mir auf, wie dreckig ihr Reisegewand war.
    Ich sah mich um, es war kein Dienstmädchen zugegen. Im Grunde war das auch gut so, weil ich es nicht sehr mochte, bedient zu werden. Ich tat es hauptsächlich der Etikette wegen – weil man es von mir erwartete. Da außer mir niemand adeliges auf Burg Tanne wohnte, musste ich jedoch wohl oder übel für einen Teil der Erwartungen aufkommen, die an einen Burgherren gestellt wurden. Nur gerade jetzt wäre ein Dienstmädchen nützlich gewesen.
    Also stand ich auf.
    »Wenn du gegessen hast, bekommst du etwas Neues anzuziehen.«
    Lia sah mich mit großen Augen an. Sie setzte in ihrer – mittlerweile gewohnt – vorsichtigen Art an, etwas zu sagen, doch ich hob die Hand.
    »Keine Widerrede! Außerdem werden wir danach jemanden aufsuchen, der …«, ich überlegte, wie man es ausdrückte, »… etwas von magischen Dingen versteht. Wie du wolltest. Und dann möchte ich wissen, weshalb genau du hier bist.«
    Lia biss in eine der Birnen und schloss die Augen dabei. Sie genoss den Geschmack des Obstes in vollen Zügen. Als sie geschluckt hatte, machte sie die Augen wieder auf.
    »Das schmeckt beinahe wie im Herbst, wenn sie reif an den Bäumen hängen.«
    Ich verdrehte die Augen. Es würde eine Weile brauchen, bis ich mich an die Art der Elbin gewöhnt hatte. Allerdings beschloss ich, die fehlenden Widerworte Lias als Zustimmung zu werten und verließ sie in Richtung Küche. Auf den Stufen kam mir schließlich eines der Küchenmädchen entgegen, die Äla beschäftigte. Ich teilte ihr mit, dass sie Lia bitte neu einkleiden sollte.
    Dem Mädchen passte das ganz und gar nicht, das war nicht schwer zu übersehen. Aber natürlich stimmte sie zu.
    »Und womit soll ich sie neu einkleiden, Herr?«, fragte sie schließlich.
    Die Antwort war so einfach, dass ich gar nicht darüber nachgedacht

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