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Dorn: Roman (German Edition)

Dorn: Roman (German Edition)

Titel: Dorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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manipulieren?«, wollte ich wissen, doch eigentlich konnte ich mir schon denken, dass es wahrscheinlich nicht um ein einfaches Manipulieren im Sinne von Einflussnahme gehen konnte.
    »Zum Beispiel konnte er einem ganzen Volk die Jugend rauben, nur weil ihm genug Vertrauen entgegengebracht wurde.«
    Das passte. War es nicht das, was Leonhrak mir geschildert hatte? Linus war gefeierter Berater am Hofe König Fjeldings gewesen. Er hatte das ihm entgegengebrachte Vertrauen mehrfach gerechtfertigt. Jeder im Volke der Harjenner war der Meinung, dass der Elb Linus nur Gutes über die Nordlande gebracht hatte.
    Und als Linus schließlich am Höhepunkt seines Einflusses gewesen war, hatte er den Nordleuten ihre jugendliche Kraft einfach weggenommen.
    »Und es reicht aus, dass man den entsprechenden Nollonar berührt, um sich wieder davon loszusprechen?«
    »Offensichtlich«, meinte Lia. »Sieh mich an. Beinahe alle Elben in Quainmar sind stumm, aber ich nicht, weil ich den Nollonar berührt habe, in dem die Stimmen der Elben gefangen sind.«
    Das war irgendwie einleuchtend.
    »Ich habe mit dem Prinzen der Nordleute gesprochen«, erklärte Lia weiter. »Er sagt, es sei bei ihnen wie bei den Elben. Je näher am Zentrum von Linus’ Einfluss sich jemand befand, desto stärker hat ihn befallen, was Linus dem Volk zugefügt hat.«
    »Deshalb haben die Elben in Anselieth noch ihre Stimmen, richtig? Sie waren weit genug entfernt von Linus.«
    »So ist es gewesen, denke ich«, bestätigte Lia. »Linus’ Plan hingegen scheint aufzugehen.«
    »Sein Plan? Du weißt, was er vorhat?«
    Lia verneinte traurig. »Jetzt, wo ich ihn in Anselieth wiedergesehen habe, kann ich es mir denken.«
    Ich wurde aufgeregt. »Was? Was hat er vor?«
    »Kannst du es dir nicht denken, Deckard?«
    Und mit einem Male fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Es traf mich wie ein Schlag in die Nieren, ich spürte, wie alle Farbe mein Gesicht verließ. Heiß vor Schrecken strömte das Blut durch meinen Körper.
    Ich taumelte, musste mich setzen und lehnte mich mit dem Rücken an die Reling.
    »Er will das Eherne Reich vernichten«, sagte ich. Es klang so erschlagend wie es gemeint war. Die Vorstellung erschien mir völlig grotesk – aber ich hatte gesehen, was Linus zu tun vermochte. Ich hatte gesehen, über welche Macht er verfügte. Und jetzt war er dort in Anselieth, hockte wie ein Parasit im Herzen der menschlichen Macht.
    Lia ging neben mir in die Hocke und legte mir tröstend eine Hand auf die Schulter. Ich merkte, wie die Wärme ihrer elbischen Haut meinen Umhang und meine Kleidung durchdrang.
    »Ja«, sagte sie so nüchtern, wie ich es noch nie von ihr gehört hatte. »Ich denke, er will euer Ehernes Reich vernichten.«
    Mit einer Mischung aus Verwirrung und absoluter Hilflosigkeit hob ich den Blick. Lias Gesichtsausdruck hätte mitleidiger kaum sein können.
    »Aber wie ?«, stöhnte ich. »Und wie kommt es, dass du die Nollonin hast?«
    »Ich habe sie ihm abgenommen«, sagte Lia ruhig. Dann setzte sie sich neben mich und lehnte sich ebenfalls an die Reling. Wir sahen in Richtung der Schiffsmitte, wo das Zelt als Unterstand gespannt war. Die meisten Nordmänner schliefen selig, euphorisiert durch ihre wiedererlangte Jugend und erschöpft vom Rudern.
    »Zuerst muss Linus bei den Riesen gewesen sein, nachdem er die Nollonin in seinen Besitz gebracht hatte«, setzte Lia ihren Bericht fort. »Was er ihnen angetan hat, ist mir nicht bekannt. Aber es scheint Wirkung zu zeigen, wenn die Nordmänner sich derart vor einem Krieg mit ihnen fürchten.
    Dann war er im Harjenner Reich. Was er dort tat, weißt du ja.
    Schließlich begab er sich ins Eherne Reich, an den Hof des Markgrafen von Gamar. Serion von Gamar ist ein Mann, der leicht zu beeinflussen ist.«
    »Das kann ich mir vorstellen«, meinte ich mit einem kurzen, bitteren Auflachen. Aber je mehr ich von Linus hörte, desto mehr Sorgen machte ich mir. Vor allem machte ich mir Sorgen um Ellyn.
    »Was hat er dort mit den Nollonin angestellt?«, wollte ich wissen.
    »Ich glaube, er hat keinen Gebrauch von einem Nollonar gemacht.«
    »Du glaubst es?«
    »Ja. Er hat einen bei den Riesen gebraucht, einen bei den Nordleuten … und einen bei den Elben.«
    »Bist du sicher, dass er für jede seiner grausamen Verfluchungen nur einen Nollonar eingesetzt hat? Ich mein’, die Dinger sind von irgendwelchen Halbgöttern gemacht worden.«
    »Nicht irgendwelche Halbgötter«, korrigierte mich Lia lachend. »Es sind

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