Dorn: Roman (German Edition)
irgendwie dazu bringen könnte …
König Fjelding ließ ein langes und tiefes Knurren vernehmen.
»Mein Volk ist immer noch geschwächt – noch längst sind wir nicht alle von dem Fluch geheilt«, presste er zornig hervor. »Doch sie erwischen uns zumindest nicht am absoluten Tiefpunkt unseres Daseins. Wir werden nach jeder noch so kleinen Hoffnung greifen.«
»Sie steuern die Küste weiter im Osten an«, bemerkte Leondorr neben ihm. »Wahrscheinlich rechnen sie mit Widerstand, wenn sie Tjaabu direkt ins Visier nehmen.«
»Wären wir bei voller Stärke, würde ich Tjaabu auch mit dem Blut vieler Männer verteidigen lassen«, entgegnete der König. »Der Hafen ist strategisch zu wichtig. Die Riesen tun also gut daran, nicht direkt hier zu landen. Doch so, wie es im Moment für uns aussieht, werden wir Tjaabu wohl aufgeben müssen.«
Eine Spur von Unglauben spiegelte sich auf dem Gesicht des jüngeren Prinzen wieder. »Aufgeben?«
Fjelding nickte grimmig. »Wenn sie uns wirklich schaden wollen, dann werden sie sehr bald Lukae angreifen, denn nur dort können sie uns schwer und unwiederbringlich treffen. Die Stadt ist gut befestigt. Also werden wir sie mit allen Mitteln halten, die uns zur Verfügung stehen. Wenn wir uns durch unseren Einsatz nur genug Zeit erkaufen können, dann haben wir vielleicht eine Chance – aber dazu, müssen wir den Hafen vorübergehend aufgeben.
Graf Deckard?«
Ich sah verblüfft drein, aber er hatte meine Aufmerksamkeit.
»Ich habe gehört, du seist ein hervorragender Krieger.«
»Er ist schnell mit dem Schwert und hat einen scharfen Verstand«, bestätigte Lemander hastig, bevor ich auch nur ein Wort dazu sagen konnte.
»Gut«, meinte der König. »Dann möchte ich dich bitten, dass du eine Lanze meiner Männer anführst.«
Eine Lanze seiner Männer? Ich schluckte trocken. Ich sollte Verantwortung für einen Teil von König Fjeldings Streitkräften übernehmen?
Was war nur in Lemander gefahren? Manchmal wirkte es beinahe so, als ließ er diejenigen, die ihn umgaben, nach seiner Pfeife tanzen.
Selbstverständlich würde ich Fjelding zusagen – alles andere wäre weder ehrenhaft noch in irgendeiner Form loyal gewesen. Obwohl … war die Flucht aus Anselieth nicht auch weder ehrenhaft noch loyal gewesen? Ich wischte den Gedanken beiseite und Lemander würde ihn womöglich aus mir herausprügeln, wenn ich das Thema noch einmal ansprach.
Es würde also zur Schlacht gegen die Riesen kommen. Und nun war es an mir, einen Teil von Fjeldings Männern in der Schlacht anzuführen. Zwei Dinge mehr, die mir Unbehagen bereiteten.
Mit dem Schrecken in den Gliedern ritten wir zurück nach Lukae. Auf dem Vorhof der Hölzernen Halle versammelte sich auf Geheiß des Königs ein Teil seiner Männer. Es galt, Vorbereitungen zu treffen. Niemand wusste, wie viel Zeit uns bleiben würde, bis die Riesen vor den Toren der Harjenner-Hauptstadt stünden, doch viel konnte es nicht sein. Es waren Aufgaben zu delegieren, Truppen zu ordnen, die Bewachung und Bewaffnung auf den Wällen der Stadt war sicherzustellen.
Der König der Harjenner war eine beeindruckende Erscheinung, als er die Stimme von seinem mächtigen grauen Pferd aus erhob.
»Männer«, rief er und seine Stimme hallte wie das Bellen eines Wolfes über den Hof. Jeder schwieg, nur das unruhige Hufgetrappel der Falben und das Knistern der ersten Fackeln in der Dämmerung waren zu hören. »Uns steht vielleicht der blutigste Tag unserer langen Geschichte bevor. Wir kämpfen gegen einen Feind, der eigentlich nicht unser Feind sein sollte. Aber es ist wohl der Wille des Schicksals, dass die Riesen uns in unserer dunkelsten Stunde mit erhobenen Waffen begegnen. Doch so wahr ich Fjelding heiße und in einer Line mit dem großen König Harjenn stehe …«, er wies mit der Hand auf die innere Stadtmauer hinter sich, »Niemals soll jemand einen Fuß über diese Wälle setzen!
Das Volk der Harjenner kann nur Bestand haben, wenn wir ihn mit unserem Blut erkaufen. Doch wer sein Leben für sein Volk gibt, dem wird in der Ewigen Halle am Ende der sonnenlosen Straße reichlich aufgetischt werden.
Ich frage euch deshalb: Seid ihr bereit, dem Schicksal die Stirn zu bieten?«
Ein hundertstimmiges »Ja!« hallte augenblicklich über den Vorhof der Halle in den Abend hinein, sodass mich eine Gänsehaut überkam.
»Ich frage euch weiter: Seid ihr bereit, alles zu geben, um euer Volk zu schützen?«
»Ja!«
»Wird unser Volk auf dem Antlitz der Welt
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