Dorn: Roman (German Edition)
Königs, diesen Weg zu suchen.
»Die Elben scheinen doch an und für sich gute Herzen zu besitzen«, meinte Fjelding weiter. »Warum sollte ihnen nach all den Jahrzehnten und Jahrhunderten nicht einfach mal jemand die Hand reichen? Es kann nur zu unser aller Vorteil sein.«
Das war wirklich erstaunlich. Und ich hoffte, dass er nicht einfach nur beschwingt vom Glücksrausch der wiedererlangten Jahre war.
»Was geschieht eigentlich mit dem Nollonar, dessen Berührung dein Volk heilt?«, erkundigte ich mich. Ich selbst war unschlüssig, was damit zu tun sei. Vielleicht hatte Fjelding einen Plan.
»Zunächst«, überlegte er, »werde ich das Ding noch einige Wochen unter Bewachung dem Wohl meines Volkes zur Verfügung stellen. Und dann, eines Tages, werde ich befehlen, es weit hinaus auf die Wilde See zu bringen und dort zu versenken.«
»Du willst es vernichten?«, fragte ich erstaunt.
»An was hattest du denn gedacht?«
»Ich habe noch nicht darüber nachgedacht«, gestand ich ehrlich. Momentan hatte ich ganz andere Sorgen, als mir über ein mögliches Danach Gedanken zu machen.
»Es ist nur richtig, das nach uns niemand jemals wieder diese Dämonendinger in Gebrauch nehmen kann«, bekräftigte Fjelding sein Ansinnen. »Sollen die Fische der Wilden See sich doch die Köpfe darum einschlagen. Aber um nichts in der Welt will ich riskieren, dass diese Nollonin noch einmal in die falschen Hände geraten.«
Ja, der Gedanke war gut. Wirklich, wirklich gut.
»Das ist ein weiser Schluss«, stimmte ich ihm schließlich zu.
Fjelding nickte zufrieden. »Ich wusste, dass du selbst auch so darüber urteilst. König Aan soll zwar einen grausamen Krieg gegen die Elben geführt haben und er war sicher nicht ohne Fehl. Doch er soll auch ein guter Herrscher für sein Volk gewesen sein. Kann es ein Zufall sein, dass wir beide seine Wahrzeichen bei-«
Er brach abrupt ab, als die Torflügel der großen Halle aufschwangen. Neugierige Blicke hafteten auf dem Neuankömmling.
Im Torbogen stand Brimbart. Seine langen fuchsroten Haare hingen klatschnass an seinem Kopf herunter und seine Tunika hatte dunkle Flecken, wo der Schweiß durch den Stoff drang. Keuchend hielt er einen Augenblick inne, dann setzte er an und rief mit tiefer Stimme etwas, das alle Feierlichkeiten mit einem Donnerschlag zunichte machte.
»Die Riesen kommen!«
Niemals zuvor hatte ich Riesen gesehen. Und wären sie in diesen Tagen nicht so gefährlich gewesen, hätte ich sie wohl mit ähnlich kindlichen Augen betrachtet wie vor vielen Wochen die Mooskinder im Wald Arith. Auch sie wirkten, als seien sie aus der Zeit der Legenden übriggeblieben.
Leonhrak hatte mir erzählt, dass es einige Riesenfamilien gab, die bis vor kurzem auf Jorhammer gelebt hatten. Hier hätten sie abseits der Ortschaften ihre Herden geweidet und wären an und für sich sanftmütige Mitbewohner der großen Insel gewesen. Das Königreich der Riesen hingegen lag auf dem Festland. Den Karten nach zu urteilen befand es sich im Norden etwa auf gleicher Höhe mit Jorhammer, und erstreckte sich über eine hügelige Wiesenlandschaft an der Westküste der Verlorenen Lande. Das Gebiet besaß vielleicht die doppelte Größe Falkenbergs, aber so genau wusste das niemand. Die diplomatischen Beziehungen von Seiten des Ehernen Reiches waren kaum vorhanden und außerdem nahmen es die Riesen mit den Grenzen auch nicht ganz so genau. Weiter hatte Leonhrak mir berichtet, dass Riesen auf den ersten Blick wie grobschlächtige Wilde wirken mochten, doch der Anblick täuschte. Hinter ihrer Fassade versteckte sich ein hochintelligenter Geist.
Als die Riesen allerdings urplötzlich anfingen, gewalttätig zu werden, hatten die Harjenner die Riesenfamilien von der Insel Jorhammer vertreiben müssen, weil die kleineren Dörfer und Ortschaften nicht mehr sicher gewesen waren. Das war geschehen, bevor Linus das Harjenner Reich heimgesucht hatte. Seitdem hatten die Harjenner nur auf die Rache der Riesen gewartet – doch in den letzten Tagen war die stetige Angst vor dem Angriff der überschwänglichen Freude über die Erlösung von der mächtigen Umklammerung der Nollonin gewichen.
Schnell galoppierten wir in einem kleinen Tross nach Tjaabu. Allen voran König Fjelding, an seinem Waffengurt das Schwert Dramjord, dass sich einst in König Harjenns Besitz befand. Ihm folgte sein Sohn Leondorr. Der jüngere der beiden Brüder hatte ebenso langes schwarzes Haar, wie sein Vater es einst besessen hatte. Er war ein
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