Dornen der Leidenschaft
mi amigo?«
7. KAPITEL
Laredo, Texas, 1848
Die traurige kleine Melodie hörte abrupt auf, als Salvador den Uhrdeckel zuschnappen ließ. Seine lange Reise war fast vorüber. Abgesehen von einem kurzen Aufenthalt in Kuba, wo er das Schiff gewechselt hatte, war er mehrere Wochen lang nicht mehr an Land gewesen. Und er hatte den endlosen Seegang jetzt wirklich satt. Seit er an Bord eines anderen Schiffes gegangen war, hatte er die Gesellschaft von Don Basilio und Doña Francisca eingebüßt. Und er vermißte seine einzigen Freunde in der Neuen Welt sehr.
Die drei waren sich in den vergangenen Wochen sehr nahe gekommen. Der Visconde hatte zwar den wahren Nachnamen des Paares nicht erfahren; aber er wußte, daß die beiden aus ähnlichen Gründen aus ihrem Heimatland geflohen waren wie er selbst. Er hatte auch die Identität des Mädchenporträts im Deckel der Uhr herausgefunden, die er von Basilio gekauft hatte. Sie war zur Erleichterung des Visconde die Schwester des jungen Adeligen.
»Ich finde Aurora einen merkwürdigen Namen für jemanden, der an die dunkle Nacht erinnert«, hatte Salvador gesagt.
Basilio hatte daraufhin zärtlich gelächelt, sich seine geliebte Schwester vorgestellt und sich überlegt, was sie wohl gerade tat.
»Ihre Schwester ist Ihnen offenbar sehr teuer, Basilio, und die Uhr ist das letzte Andenken an sie. So sehr ich es bedaure, muß ich sie Ihnen doch zurückgeben.«
»Ach nein, Señor«, hatte Basilio protestiert. »Sie haben mehr dafür bezahlt, als sie wert ist – wenn man von ihrem sentimentalen Wert absieht. Sie haben mir das Leben gerettet und Francisca auch, indem Sie die Uhr gekauft und uns damit die Überfahrt ermöglicht haben, Aguila. Ich weiß, daß Aurora bestimmt damit einverstanden wäre, daß Sie die Uhr behalten.«
»Nun gut«, hatte der Visconde zugestimmt. »Da Sie darauf bestehen, behalte ich die Uhr, bis Sie in der Lage sind, sie zurückzukaufen. Vielleicht werde ich eines Tages ja Ihrer schönen Schwester persönlich begegnen.«
Basilio hatte zustimmend genickt.
»Das hoffe ich, Señor«, hatte er ernst gesagt. »Aber wie die Dinge jetzt stehen, fürchte ich, daß ich sie nie wiedersehen werde. Peru ist weit weg von Spanien, Aguila und ich habe keine Ahnung, wie ich mit meiner Familie Kontakt aufnehmen soll. Bis wir von der falschen Anklage des Hochverrats freigesprochen sind, können wir nicht in unsere Heimat zurückkehren.«
»Aber … Peru? Warum haben Sie sich entschlossen, sich dort niederzulassen, Basilio?« hatte Salvador interessiert gefragt.
Der junge Adelige hatte mit den Achseln gezuckt.
»Ich weiß nicht. Ich habe die Legende von El Dorado gehört, sie fasziniert mich natürlich, obwohl ich sicher bin, daß die Stadt nicht wirklich existiert. Irgend jemand müßte sie ja gefunden haben, wenn es sie gäbe. Aber, wer weiß?«
Nach einer Weile hatte Basilio hinzugefügt: »Vielleicht können wir uns eine kleine Plantage leisten. Peru ist von Spaniern kolonisiert worden. Es wird Spanisch dort gesprochen. Die Kultur ist unserer eigenen vergleichbar … Und Sie, Señor? Warum haben Sie sich für die Estados Unidos und für Tejas entschlossen? Die Indianerstämme dort sollen ihre Feinde skalpieren.«
»Si, davon habe ich auch gehört«, hatte der Visconde zugegeben. »Aber ich habe Verwandte dort, ich hoffe, daß sie noch leben.«
»Ich wünsche Ihnen alles Gute, Aguila. Der Kapitän sagt, wir müssen uns trennen, wenn wir in Kuba sind. Ich weiß nicht so recht, wie wir den Kontakt aufrechterhalten sollen.«
»Schreiben Sie mir ins Hotel Placido in Laredo. Der Kapitän meint, daß es ein anständiges Hotel ist. Ich will dort bleiben, bis ich etwas von meinen Verwandten in Santa Rosa erfahre, die meiner Mutter zum letztenmal vor zwanzig Jahren geschrieben haben.«
»Ich hoffe, Sie finden Ihre Verwandten, Señor«, hatte Francisca geantwortet. »Es ist entsetzlich, so weit weg von zu Hause zu sein, ohne Familie oder Freunde …«
»Bitte benachrichtigen Sie mich, wenn Sie Hilfe brauchen«, hatte Salvador mehrfach gesagt, weil er sich Sorgen um die Jungvermählten machte.
»Muchas gracias, Aguila«, hatte Basilio geantwortet. »Sie sind sehr freundlich zu uns. Vaya con Dios. «
Salvador hoffte, daß sie ihm tatsächlich schreiben würden, wie sie es versprochen hatten. Abgesehen von der Tatsache, daß er die beiden wirklich gern hatte, stellte Basilio Salvadors einzige Verbindung zu Aurora dar, dem Mädchen auf dem Porträt, an das er sehr oft
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