Dornen der Leidenschaft
spuckte auf den staubigen Boden und nickte.
»Natürlich kenne ich den. Mit so einem legen Sie sich besser nicht an, Mister. Er wird El Lobo genannt, niemand kann so schnell ziehen und töten wie er. Ich hab’ gehört, daß er geheiratet hat. Gar nicht übel, die Kleine, was? Ich wundere mich nur, was sie an dem Mischling findet.«
»Was soll das heißen – ›Mischling‹?« fragte Salvador neugierig. »Abgesehen von seinem Haar sah der Mann so aus, als stammte er aus einer guten spanischen Familie.«
»Ich wette, Sie sind neu hier«, antwortete der Fahrer abschätzig. »El Lobo, das ist ’n Mischling. Er soll ’n halber Komantsche und ’n halber Mexikaner sein. Wir mögen die Indianer nicht – und erst recht keine Mischlinge. Die sind der letzte Dreck. Keine respektable Frau macht für diese roten Teufel die Beine breit. Sogar Huren verlangen von denen das Doppelte!«
Salvador antwortete nicht darauf. Ihm war klar, daß er noch viel über die Neue Welt zu lernen hatte.
Im Hotel Placido ging es hoch her, aber das war in einer Stadt wie Laredo offensichtlich nicht weiter verwunderlich. Abgesehen von den lautstarken Unterhaltungen schien das Hotel aber anständig zu sein. Salvador war froh, daß der Kapitän ihm geraten hatte, hier zu wohnen. Er hatte keine Ahnung, wo er sonst gelandet wäre.
Als er die Halle betrat, um nach einem Zimmer zu fragen, fühlte er sich so einsam wie schon seit Jahren nicht mehr.
8. KAPITEL
Obwohl Aurora schon immer gewußt hatte, daß ihre Großmutter Macht und Einfluß besaß, war sie doch erstaunt, wie schnell Doña Gitana es schaffte, ihr einen Posten als Kammerzofe der Königin zu verschaffen.
Aurora war wirklich überrascht. Bisher hatte sie sich vorgestellt, sich mit Isabella anzufreunden, ohne aber richtig am Leben bei Hof teilnehmen zu müssen. Aber als Kammerzofe würde sie, ob sie das nun wollte oder nicht, von morgens bis abends mit der höchsten spanischen Gesellschaft zu tun haben.
Neue Kleider, teurere und reicher verzierte, als sie jemals besessen hatte, wurden für sie von den besten Schneiderinnen genäht. Hutschachteln mit wunderbaren Hüten, Spitzenunterwäsche und handgemalte Fächer in allen Farben wurden ins Haus geliefert. Ein Tanzlehrer brachte ihr die neuesten Gesellschaftstänze bei, ein Sprachlehrer sorgte für die bestmögliche kastilianische Aussprache. Aurora hatte Angst, daß sie versagen und nicht nur Schande über ihre Familie bringen würde, sondern auch Don Juan unwillentlich die Bälle in die Hand spielen würde, die ihm ermöglichten, das Haus Montalbán zu vernichten.
Aus diesem Grund nahm sie voller Sorge neben ihrer Großmutter in der gut gefederten Kutsche Don Felipes Platz, die sie nach Aranjuez bringen würde, dem Landsitz der Königin, auf den sie sich für den Sommer zurückgezogen hatte.
Die kurze Reise verlief sehr angenehm. Die Sonne schien warm vom Himmel, auf den Feldern reifte Weizen und Hafer, und die Halme schwankten sanft im leichten Wind.
Der Palast lag etwa fünfzig Kilometer südlich von Madrid in der Nähe des Zusammenflusses vom Rio Tajo und des Jarama.
Aurora, die ein Auge für Schönheit hatte, fand den Palast, obwohl er nicht groß war, sehr viel beeindruckender als das häßliche graue Königsschloß in Madrid, von dem gesagt wurde, daß es dem Louvre in Paris ähnlich sähe. Das junge Mädchen war froh, daß Aranjuez nicht so groß war. Sie hoffte, daß sich dort nicht allzu viele Leute aufhalten würden.
Die Montalbáns wurden ohne Schwierigkeiten in den Palast eingelassen und in ihre Zimmer geführt. Ihre Großmutter und ihre Eltern hatten ein eigenes Zimmer, aber Aurora mußte einen Raum mit zwei anderen Kammerzofen der Königin teilen. Aber bei ihrer Ankunft war das Zimmer leer. Aurora war froh, ihre Sachen auspacken zu können, bevor sie ihre Mitbewohnerinnen kennenlernte.
Sie und ihr Mädchen Lupe waren gerade fertig, als die anderen Kammerzofen hereinkamen. Zu ihrer Überraschung sah Aurora, daß alle drei kaum älter als sie selber waren.
Blanca, die jüngste, stammte aus Barcelona. In ihrer Zierlichkeit erinnerte sie Aurora an eine Puppe. Sie hatte porzellanweiße Haut, seidigblondes Haar und kornblumenblaue Augen. Fátima war ganz das Gegenteil von ihr. Sie stammte aus Granada, war hochgewachsen und dunkelhäutig, und ihre dunkelbraunen Zöpfe und Augen wirkten fast schwarz. Das dritte Mädchen, Concepción, die aus Bilbao stammte, hatte rotes Haar, grüngoldene Augen und einen golden
Weitere Kostenlose Bücher