Dornen der Leidenschaft
Teufel! Sie macht es … mit ihrem großen hölzernen Kreuz! Habt ihr nicht gesehen, wie die Meßdiener flüchten, wenn sie in die Nähe kommt?«
Wie die anderen Kammerzofen, ging auch Aurora jetzt nie mehr in dem Wäldchen spazieren.
Don Juans Bösartigkeit konnte sie bekämpfen, weil sie sie irgendwie verstand. Es fiel ihr aber viel schwerer, sich gegen Sor Patrocinios unnatürliche Lüste zur Wehr zu setzen, weil sie sie nicht im geringsten nachempfinden konnte.
Aurora wünschte sich, mit ihrer Großmutter darüber sprechen zu können. Doña Gitana war alt und klug und hatte in ihrem Leben vieles kennengelernt. Aber sie war jetzt krank, und Aurora wollte sie nicht beunruhigen.
Das Mädchen seufzte und schloß die Augen. Sie fühlte, wie die Zeit aus der Gegenwart in die Vergangenheit glitt. Deshalb war sie nicht überrascht, den Mann zu sehen, den sie liebte, als sie die Augen wieder öffnete. Es schien ihr, daß er sie eine Ewigkeit lang aufmerksam betrachtete. Dann fragte er: »Warum bist du so still, querida?«
»Ach, mi corazón« ,flüsterte sie aufgeregt, denn sie wußte, daß er gekommen war, um um ihre Hand anzuhalten, die sie ihm nicht geben konnte. Ihr Vater hatte seine Einwilligung in ihre Eheschließung verweigert, obwohl sie ihn angefleht hatte, einzuwilligen. »Es gibt keine Hoffnung für uns. Ich weiß es. Ich würde dich morgen heiraten, aber mein Vater verweigert seine Einwilligung. Ich bin ganz sicher. Obwohl dein Blut genauso blau ist wie mein eigenes, mi alma, hast du kein Glück. Padre ist so stolz, er will mich nicht mit einem armen Mann verheiraten. Er ist bereit, mich einem verachtenswerten Mann zu geben, wenn er nur ein Marqués ist und die Taschen voller Gold hat.«
»Nein!« schrie ihr Geliebter und fluchte. »Sangre de Cristo! Das kann er uns nicht antun!« Er warf sich vor ihr auf die Knie und küßte ihre Hände. »Du mußt dich den Plänen deines Vaters widersetzen, muñeca« ,sagte er eindringlich, »und zwar so lange wie möglich. Ich werde einen Weg für uns finden. Das verspreche ich dir.«
Als Aurora wieder in die Realität zurückkehrte, schüttelte sie verwundert den Kopf. Süßer Jesus! Der Einfluß dieses Mannes auf sie wurde immer stärker. Sie liebte ihn mehr als ihr eigenes Leben.
Sie hörte jemanden herankommen und blickte auf. Sie bemerkte eine ältere Frau, die sie noch nie gesehen hatte. Trotzdem kam die Fremde Aurora irgendwie bekannt vor.
»Buenos días« ,sagte die Frau. »Verzeihen Sie mir, wenn ich Sie hier im Garten störe, Doña Aurora, aber mir wurde gesagt, daß ich Sie hier finden würde. Sie kennen mich nicht, aber ich würde gern einen Augenblick mit Ihnen sprechen.« Nach einer kurzen Pause fuhr die Frau fort: »Erlauben Sie mir, daß ich mich vorstelle. Ich bin Doña Catalina Aguilar de Rodriguez de Zaragoza de Yerbabuena, Condesa de Fuente. Das ist ein langer Name für eine Frau, nicht wahr?« fragte sie und lächelte traurig.
»Sí. «Aurora nickte und war noch so zerstreut, daß sie den Namen der Frau gar nicht richtig verstand.
»Darf ich mich setzen?«
»Aber natürlich«, stammelte Aurora beschämt.
»Sie sind … sehr schön«, sagte die ältere Frau, »und sehr jung. Deshalb muß ich – muß ich Sie warnen –«
»Mich warnen!« rief Aurora erschrocken aus.
» Sí . Bitte lassen Sie mich aussprechen, Señorita. Ich bin die Mutter von Don Juan Rodolfo de Zaragoza y Aguilar.«
Aurora erschrak heftig und wurde totenblaß. War es möglich, daß diese stille, schöne ältere Dame die Mutter eines solchen Teufels war? Die Condesa mißverstand den Ausdruck auf Auroras Gesicht.
»Ich merke, daß ich zu spät komme«, sagte sie leise. »Er hat Sie schon gegen mich aufgebracht.«
»Was – was meinen Sie?« fragte Aurora völlig verwirrt.
»Doña Aurora, bitte verzeihen Sie mir, aber ich muß deutlich werden. Es wundert mich nicht, daß Juan es schon geschafft hat, Sie gegen mich einzunehmen. Selbst die Königin ist auf seine Lügen hereingefallen. Mein Sohn – mein Sohn verabscheut mich, weil ich ihn nie lieben konnte. Ich konnte es einfach nicht! Denn ich haßte seinen Vater, Don Manuel, meinen zweiten Mann, der ein brutaler, furchtbarer Mensch war.«
Die Condesa sprach mit bitterer Stimme, als sie an die schwere Vergangenheit zurückdachte.
»Ich – ich war sehr jung, als er meinen geliebten ersten Mann, Don Esteban, tötete. Ich war jung und mit unserem neugeborenen Sohn Salvador, der mich noch nicht beschützen konnte, allein.
Weitere Kostenlose Bücher