Dornen der Leidenschaft
Brief von Basilio angekommen! Sie schaute auf das Papier und konnte es kaum glauben. Neben ihr stand Doña Ynez, die den Brief ihrer Tochter persönlich nach Aranjuez gebracht hatte. Sie lächelte zärtlich.
»Es geht ihnen gut«, sagte sie, »sie haben es geschafft, eine kleine Plantage zu kaufen, die aber in sehr schlechtem Zustand ist. Es wird viel Arbeit und Geld kosten, bis die Plantage auch nur einen kleinen Gewinn abwirft … Santa María! Sie hatten doch nur das wenige Geld, das Don Pedro ihnen geben konnte. Natürlich werden wir versuchen, ihnen Geld zukommen zu lassen. Aber Peru ist so weit weg! Selbst dort fühlen sie sich noch nicht ganz sicher vor Juan.«
»Sei still, madre« ,sagte Aurora beruhigend und streichelte Doña Ynez’ Hand. »Juan unternimmt doch nichts mehr gegen euch, oder?«
»Nein er ist viel zu klug, um uns Schaden zuzufügen, jetzt, da sich Isabella so eng mit dir befreundet hat. Er weiß nun, wer du bist, und will dich heiraten! Als ob dein Vater jemals einwilligen würde! Ay, caramba! Er will dich nur heiraten, damit du ihm völlig ausgeliefert bist und er dich anstelle von Basilio quälen und bestrafen kann. Der Marqués liebt dich nicht, Aurora.«
»Das weiß ich, madre, das weiß ich«, flüsterte Aurora unglücklich. »Ach, madre. Ich fühle mich jedesmal todkrank, wenn er sich nähert! Aber was kann ich tun? Die Königin – sie ist so naiv und gutmütig wie ein Kind und hat keine Ahnung, was in Wirklichkeit gespielt wird. Don Juan hat ihr gesagt, daß er sich nach mir verzehrt, und sie freut sich, daß einer ihrer liebsten caballeros mich heiraten will. Ich weiche ihm so gut wie möglich aus, madre, aber die Königin legt es geradezu darauf an, mich und Don Juan allein zu lassen. Ich kann es mir nicht leisten, sie zu verärgern, ihre Zuneigung ist so unstet wie eine Biene, die von Blüte zu Blüte fliegt. Der Marqués weiß das nur zu gut und nützt es nach Kräften aus. Ach, madre« – rief Aurora verzweifelt aus – »ich weiß nicht, wie lange ich mich noch wehren kann.«
»Aurora, es tut mir so leid«, entschuldigte sich Ynez. »Vergib mir. Ich habe nur an mich gedacht und nicht bemerkt, daß ich nicht die einzige bin, die unter Juan zu leiden hat. Ach, wenn Isabella nur nicht so ein dummes Kind wäre!«
»Sie kann nichts dafür, madre, es ist nicht ihre Schuld, daß sie schön und dumm auf die Welt gekommen ist.«
»Ich weiß.« Ynez seufzte. »Jetzt muß ich gehen, Aurora. Ich habe deinem Vater versprochen, vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause zu sein, die Sonne steht schon tief. Nur Mut, mein liebes Kind. Wenigstens wissen wir jetzt, daß Basilio und Francisca in Sicherheit sind. Das ist doch ein großer Trost.«
»Sí. Paß auf dich auf, madre« ,sagte Aurora und umarmte und küßte ihre Mutter. »Vaya con Dios. «
Nach der Abfahrt ihrer Mutter saß Aurora eine Zeitlang ruhig im Garten. Heute mußte sie sich zum Glück nicht vor den Nachstellungen Juans fürchten. Er war zur Jagd gegangen und würde erst spät in den Palast zurückkehren. Aber Aurora war wirklich bedrückt. Isabella bedrängte sie so sehr, den Marqués zu heiraten, daß sie befürchtete, es nicht mehr viel länger aushalten zu können.
Aber etwas anderes war noch viel schlimmer und bedrohlicher. Aurora hatte es nicht gewagt, es ihrer Mutter zu erzählen, um sie nicht allzu sehr zu schockieren.
Es war Sor Patrocinio. Die fanatische Nonne war eifersüchtig auf Isabellas Freundschaft, die sie Aurora entgegenbrachte, und tat alles, um diese Beziehung zu zerstören. Noch schlimmer war die Tatsache, daß Sor Patrocinios Augen lüstern jede Bewegung Auroras verfolgten. Aurora befürchtete, daß Sor Patrocinio sie nur von Isabella trennen wollte, um sie ganz für sich zu haben.
Erst letzte Woche war Blanca, der Aurora ihre große Angst vor Sor Patrocinio gestanden hatte, tot in einem nahegelegenen Wäldchen gefunden worden. Aurora hatte die Tote nicht mehr gesehen, aber es war schlimm genug, was sie gehört hatte. Blanca war vor ihrem Tod nicht nur geschlagen, sondern auch so grauenhaft vergewaltigt worden, daß selbst die abgebrühtesten Höflinge entsetzt waren.
Fátima, die Blancas Leiche entdeckt hatte, hatte Aurora und Concepción genau beschrieben, wie der Körper des jungen Mädchens ausgesehen hatte.
»Was für Unschuldslämmer ihr doch seid«, hatte die etwas ältere Fátima gesagt. »Ich weiß, was mit ihr geschehen ist. Und ich weiß auch, daß es Sor Patrocinio war. Sie ist ein kranker
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