Dornen der Leidenschaft
Arbeit helfen zu dürfen. Der Visconde war wütend gewesen, aber sie hatte nicht klein beigegeben. Sie hatte keine Lust, im Haus eingesperrt zu sein – wie eine Gefangene.
»Wenn du mich nicht auf die Felder läßt«, hatte sie gerufen, »dann rebelliere ich, und das wird dir leid tun. Was ist los? Hast du Angst, daß ich mit einem anderen Mann durchbrenne?«
»Wenn du das tätest, würde ich dich umbringen«, hatte Salvador düster geantwortet.
»Dann müßtest du mich erst einmal finden«, hatte sie ihn geneckt, »und die Welt ist ziemlich groß.«
Zum Schluß hatte ihr Mann nachgegeben. Und Aurora war bei der Ernte dabei. Jetzt, als sie zwischen den Feldern und der Scheune hin und her ritt, hielt sie immer wieder nach ihrem Mann Ausschau. Er überragte alle anderen; und obwohl er genau die gleiche Arbeit verrichtete, würde ihn doch niemand für einen einfachen Arbeiter halten. Seine dunkelbraun gebrannte Haut glänzte feucht, und Aurora hatte das Gefühl, daß sie ihn noch niemals so begehrt hatte wie an diesem Tag.
Obwohl sie an erlesene Parfüms, saubere Seidenbettwäsche und bequeme Betten gewöhnt war, wünschte sich Aurora, daß ihr Mann sie einmal mitten auf dem harten Feld zwischen den Zuckerrohrpflanzen lieben würde, immer noch verschwitzt von der harten Arbeit. Heftiges Verlangen durchströmte sie, und als er sie mit seinen hungrigen, schwarzen Augen anstarrte, war ihr, als könne er ihre Gedanken lesen.
Sie errötete und wandte sich ab, und plötzlich fiel ihr etwas ein, woran sie noch nie gedacht hatte.
Was wäre, wenn sie ihren Mann einmal zur Liebe auffordern würde? Sie sehnte sich verzweifelt danach, daß er ihr zärtliche Gefühle entgegenbrachte. Aber sie hatte ihn nie ermutigt und nie gewagt, ihm zu sagen, wie sehr sie ihn liebte, da sie befürchtete, daß er sie auslachen und demütigen würde. Aber nichts ließ darauf schließen, daß er sie tatsächlich erniedrigen würde. Wenn sie ihn wirklich liebte, müßte sie eigentlich all ihren Mut zusammennehmen und ihm entgegenkommen. In ihrem Inneren tobten widerstreitende Gefühle.
Aurora, du bist wirklich ein Dummkopf gewesen, sagte sie zu sich selbst. Du hast um alles in Esplendor gekämpft – außer um deinen Mann. Und ihn begehrst du mehr als alles andere!
Aber er will nur meinen Körper – nicht meine Liebe. Das hat er mir deutlich genug zu verstehen gegeben.
Hat er das wirklich, oder hast du es dir nur so oft eingeredet, daß du es jetzt selber glaubst?
Ich weiß es nicht! Ich weiß es nicht!
Dann hör zur Abwechslung einmal auf dein Herz, dein Herz allein kennt die Antwort.
Aurora preßte die Lippen zusammen. Sie wußte nicht, ob sie Salvadors Liebe gewinnen konnte, aber sie wußte, daß sie es wenigstens versuchen mußte.
Als sie das nächste Mal zu den Zuckerrohrfeldern ritt, stieg sie ab und reichte ihrem Mann ein kühles Getränk. Salvador blickte seine Frau überrascht an; und Aurora errötete.
»Ich – ich glaube, du solltest zur Mühle kommen«, stammelte sie, und ihr Herz schlug so laut, daß er es sicher hörte. »Sie fangen an, das Zuckerrohr zu mahlen.«
»Ich komme gleich«, antwortete der Visconde. »Es ist sowieso schon bald Mittag. Ich sage den Männern, daß sie siesta machen können, und dann komme ich zur Mühle.«
»Dann treffe ich dich dort«, sagte Aurora lächelnd und nahm ihm das leere Glas aus den Händen.
Salvador schaute seiner Frau nachdenklich nach, bevor er sich zu seinen Arbeitern umdrehte.
Die Mühle war in einer langen, hölzernen Scheune untergebracht und lag in einiger Entfernung vom Haus. Aurora kam zuerst dort an und entschied sich, Salvador im Gebäude zu erwarten. Drinnen war es noch heißer als draußen, aber sie interessierte sich für alle Arbeitsvorgänge und stellte viele Fragen.
»Woher weiß man denn, wann das Rohr reif ist?« fragte sie einen der Männer.
»Ach, Zuckerrohr ist genau wie eine Frau«, antwortete er, »man fühlt das einfach, wann die richtige Zeit gekommen ist.«
Aurora wurde rot und ärgerte sich über diese Antwort. Die anderen Arbeiter lachten, und schließlich fiel sie, um ihr Gesicht zu wahren, in das Gelächter ein, ohne zu bemerken, daß Salvador mit finsterem Gesichtsausdruck in der Tür stand.
Als die beiden die Mühle wieder verlassen hatten, packte er sie bei den Schultern und schüttelte sie ärgerlich.
»Weißt du jetzt, warum ich nicht will, daß du dich bei den Männern aufhältst?« schimpfte er. »Es sind primitive und vulgäre
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