Dornen um mich (German Edition)
frisch verliebt, das konnte ich sehen ... das konnten wir alle sehen. Die Frage war nur, wie echt das war und wie richtig. Die Paradies-Traumblase aus Glückseligkeit und Harmonie packte jedenfalls alle Bedenken in rosarote Watte, polsterte sie und degradierte sie zu einem „nicht mehr ganz so wichtig“. Meine eigenen Gefühle hier schienen zwar echt, doch weil ich bei Anne gar so kritisch war, kam mir selbst mein Verhalten manchmal suspekt vor.
Die rosarote Watte aber war teuflisch gut, schmeckte wie Zucker auf der Zunge, fühlte sich kuschelig und weich an. Anflüge von Grübelei waren hier komisch und daher nur von kurzer Dauer. Sie überstanden einfach nicht die Intensität der Freude und der Lust. Die Verlockung war zu groß und die Bequemlichkeit zu leicht gemacht. Immer wieder schob ich die leisen Zweifel an den Rand meines Bewusstseins, weil auch ich in erster Linie Glück und Liebe fühlen wollte.
Spätestens aber nach einem lauten „JA!“ von Anne, wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Meine () Freundin hatte nämlich gerade alle Bedenken zur Seite geschoben und einen faunischen Heiratsantrag angenommen. Ein Teil von mir freute sich natürlich, weil Anne so verliebt und überschäumend wirkte, aber ein viel größerer Teil dachte an Annes wahre Familie und den Verrat, den sie gerade beging.
„Äh, Anne? Du bist doch schon verheiratet ...“, platzte es recht undiplomatisch aus mir heraus, weil ich sonst an dem Schwall plötzlich aufkommender Kritik erstickt wäre. Gut, ich war ein wenig altmodisch, glaubte an die ewige Liebe und an die Seltenheit einer einzigen Heirat im Leben. Aber so war ich nun mal! Was sollte auch der ganze Peace-and-Happiness-Scheiß, wenn hier nicht einmal ein bestehendes Eheversprechen Gültigkeit hatte?
Anne und Berek blickten jedenfalls recht erzürnt zu mir herüber. Ich war aber auch ein Störenfried mit meiner verkorksten Einstellung. Dabei fing ich gerade erst an ihre Unbekümmertheit zu hassen, ihre dämliche Nachlässigkeit, die Faulenzerei und das blöde Verschludern von Verpflichtungen.
„Spielverderber!“ brüllten Annes Augen stumm, während Berek sich recht schnell fasste und versuchte, die Unbekümmertheit der Situation zu bewahren.
„Das hier, Sabrina, ...“, und damit zeigte er mit einer theatralischen Geste rundum. „ ... ist ein Geschenk Gottes und ein völlig neues Leben. So lange wir hier sind, können wir tun und lassen, was wir wollen.“
„Außerdem ist es mein Leben!“, ergänzte Anne trotzig und ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass tatsächlich wesentliche Teile unseres Gehirns bereits lahm gelegt worden waren. Bereiche wie „Gewissen“ oder „Moral“ schienen gänzlich durch Lust, Freude und viel, viel Spaß ersetzt worden zu sein. Ich erkannte das und kämpfte trotzdem gegen meine verkorkste Seite, weil ich die Rolle der Spielverderberin nicht innehaben wollte. Dabei waren wir nur eine Gruppe von vier Menschen! Herrgott, da konnte der Gruppendruck doch nicht gleich so deutlich spürbar werden, oder doch?
Fakt war aber, dass ich mich in meiner Haut nicht mehr wirklich wohl fühlte, weil selbst mein süßer Halbdämon bereits kritisch zu mir guckte. Überhaupt wirkten alle so, als hätte ich ihnen gerade mächtig den Spaß verdorben ... was ja auch irgendwie stimmte. Konnte ich nicht ein einziges Mal einfach nur genießen? Ständig musste ich alles zerreden, Probleme wälzen und meine jämmerlichen Dornen ausfahren.
„Ach, was soll’s!“, resignierte ich und schickte im gleichen Atemzug (ohne es zu visualisieren!) mein Rückrad über den Jordan. Ich wollte nicht die Einzige sein, die bockte und Unfrieden stiftete und so riss ich mich zusammen und äußerte mich nicht weiter zu Anne und ihrem hübschen Lover. Ich tat so unbekümmert wie zuvor, beschloss aber meine geheime Mission (nicht ganz den Verstand zu verlieren) im Auge zu behalten. Die tollkühne Musik von Mission Impossible konnte ich mir gerade noch verkneifen, denn die hätte den Wald nicht nur im mörderischen Bass erschüttert, sondern in der Lautstärke, wie ich sie liebte, eher entlaubt. Und nach einer musikalischen Version von Napalm war mir nun wirklich nicht zumute. Die Erfüllungsmagie hier war zwar stark, aber meine geheimsten Gedanken und Wünsche waren offenbar tief genug in meinem Innersten vergraben.
Dachte ich zumindest ... bis ein unglaublich lauter Knall die Luft zerriss und uns so was von zusammenfahren ließ! Wie die aufgescheuchten Hühner
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