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Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
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strahlte eine fast galaktische Ruhe und Beständigkeit aus … Nichts in seinem Denken und Fühlen war chaotisch und verbissen, es herrschte reine, zufriedene, erleuchtete Klarheit. Selbst das Meer schien leiser und verhaltener zu werden, als ich verzückt in die Stille lauschte, die sich durch unsere Nähe nun auch in mir ausbreitete. Ja, wenn man sich so fühlte, konnte man gar keine Zweifel haben … Ich schloss die Augen, um die Welt um mich herum zu vergessen und vollends in das wohltuende, gleißende Nichts einzutauchen, wurde aber schon nach wenigen Sekunden darin gestört.
    Denn ein Telefonklingeln konnte kein Bestandteil dieses Nichts sein. Im ersten Moment war ich sogar davon überzeugt, mich geirrt zu haben, es konnte kein Klingeln ertönen, nicht jetzt, nicht während wir hier unten am Meer saßen. Wir trugen unsere Handys niemals bei uns, wenn wir nachts unterwegs waren, aber dieses Läuten war kein Handyklingeln, sondern das markante Düdeldidüdeldidü eines älteren Festnetzapparates.
    Ich blieb sitzen, Kopf an Kopf mit Angelo, und hoffte, es sei eine Sinnestäuschung gewesen, vielleicht war ich durch meine bohrenden Zweifel so gestresst, dass ich Sachen hörte, die es gar nicht gab.
    Düdeldidüdeldidü. Zum zweiten Mal. Keine Sinnestäuschung! Es war da. Angelo nahm seinen Kopf nicht weg, doch die Stille zog sich aus mir zurück. Ich schlug meine Augen auf und versteifte mich unwillkürlich, als das Klingeln erneut durch die Nacht wehte. Düdeldidüdeldidü. Es kam aus unserem Haus. Ich war mir plötzlich sicher, dass es das Telefon in unserem Haus war, obwohl ich viel zu weit weg saß, um das Geräusch exakt zuordnen zu können. Doch das Telefon, das am Ende des Flurs auf einer wackeligen Kommode stand und auf dem wir nur angerufen werden konnten, nicht selbst telefonieren, war eines dieser Geräte, das düdeldidüdeldidü machte, und ich sah es sogar vor mir, so deutlich, als könne ich den Hörer abnehmen und mich melden.
    »Das Telefon … hörst du es nicht?«
    »Doch«, murmelte Angelo. Sein Kopf ruhte schwer an meiner Schulter, weil ich mich lang gemacht hatte, um besser hören zu können. »Na und?«
    »Vielleicht sollte ich rangehen. Es klingelt in unserem Haus.«
    »Och, nicht, bleib hier … ist gerade so schön … Warum müsst ihr Menschen immer sofort ans Telefon rennen, wenn es läutet?«
    »Sagt ausgerechnet ein Italiener«, spöttelte ich. Italiener waren telefonsüchtig. Wahrscheinlich schliefen sie sogar mit dem Handy unter dem Kopfkissen, um ja keinen Anruf zu verpassen. Schließlich gab es immer etwas Hochwichtiges mitzuteilen, worauf die Welt nicht warten konnte und schon gar nicht die nahe und ferne Verwandtschaft.
    »Ich bin Kosmopolit und Kosmopoliten müssen nicht ständig telefonieren, das haben sie gar nicht nötig«, protestierte Angelo schwach. Er lächelte beim Sprechen, ich merkte es an der minimalen Verschiebung seiner Wangenknochen an meiner Schulter. Wie gerne hätte ich es gesehen. Ich ließ mich unauffällig nach unten rutschen, bis unsere Köpfe auf einer Höhe waren, doch dieses Mal nicht Stirn an Stirn, sondern Wange an Wange, was ich ungleich schöner fand. Nur Millimeter zwischen unseren Lippen …
    Düdeldidüdeldidü. Da hatte jemand Ausdauer.
    Gereizt fuhr ich hoch. »Langsam nervt es …«
    »Dann hör doch nicht hin.«
    »Kann ich nicht. Vielleicht ist es auch irgendein technischer Fehler und es legt sich erst, wenn ich den Stecker rausziehe.« Immerhin war ein Mahr in der Nähe, auch wenn ich es noch nie erlebt hatte, dass moderne Geräte in Angelos Gegenwart streikten. »Ich lauf schnell rüber, nicht weggehen, bin gleich wieder da, okay?«
    Düdeldidüdeldidü. Ja, ich komme schon, dachte ich entnervt, als ich über den noch warmen Sand hinüber zur Piano dell’Erba sprintete und das Haus in Sichtweite kam. Ausgerechnet jetzt. Einen ungünstigeren Zeitpunkt hatte es kaum geben können; wann immer ich ein Gespräch mit Angelo unterbrach, hatte ich die Befürchtung, etwas Wichtiges zu verpassen, was unabdingbar für meinen weiteren Weg war. Doch meine Neugierde wollte alles wissen – nicht nur das, was Angelo erzählte, sondern auch, wer da mitten in der Nacht in meinem Haus anrief.
    Wie immer war niemand da; vielleicht hatten sie ihre Drohung umgesetzt und waren heimgereist. Mir sollte es recht sein, dann musste ich mir nicht ständig ihr immer gleiches ödes Geplapper anhören.
    Ich nahm die Hintertür, die ich sowieso nicht mehr abschloss,

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