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Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
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lesen. Aber vermutlich wirst du in seiner Gegenwart gar nicht mehr denken können. Trotzdem: keine Pläne. Sie verraten dich.«
    Ich schüttelte den Kopf. Keine Pläne fassen? Gar keine? Das war immer meine probate Rettung gewesen, mir einen Plan auszudenken, und wenn er noch so albern war. Pläne zu fassen, war mir klug und vernünftig vorgekommen. Doch gerade in der Zeit mit Angelo hatte ich damit begonnen, auf alle Planenden hinabzuschauen, verächtlich und spottend. Ich kannte jetzt die andere Seite.
    »Gestatte dir deine Gefühle, auch wenn sie dich verwirren«, fuhr Morpheus fort. »Höre auf deine Intuition. Nur sie kann dich retten. Und vertraue dabei auf jene, die dich lieben.«
    »Mich liebt niemand mehr«, entgegnete ich steif. Mich konnte man nicht mehr lieben. Ich hatte versagt, in allen Belangen. Wer sollte ihnen vorwerfen, dass sie es nicht mehr taten?
    »Oh doch, du wirst geliebt. Sonst wärest du nicht hier. Nun schlaf, mein Kind, schlaf. Morgen wird dich ein Schiff zurück nach Italien bringen. Jetzt aber musst du schlafen.«
    Noch bevor er sein weißes Gewand über meinen Körper zog, fielen meine Augen trotz meiner tausend unbeantworteten Fragen zu und ich sah Grischa, wie er auf einem Mäuerchen am Rande der Insel saß, salzige Böen in seinem störrischen Haar und schlummernde Katzen zu seinen Füßen, und meinen Brief las, bis die Sonne untergegangen war und die Dunkelheit meine Buchstaben vor seinen Augen verschwimmen ließen.
    Wir gehörten zueinander, ewig dein, ewig mein, ewig unser.
    Doch wir würden uns niemals lieben.

R ÜCKFALL
    Das schaffe ich nicht, keine Chance, dachte ich, als das überschaubare, aber gut motorisierte Fischerboot im Morgengrauen vom Hafen Ammoudi ablegte und die Deckbohlen unter meinen Füßen zu vibrieren begannen. Keinerlei Plan hegen und trotzdem das aufhalten, was bereits seinen Gang nahm? Sogar mit einem Plan wäre es mir aussichtslos vorgekommen, bei Weitem aussichtsloser als unsere ausgefeilte Vernichtungsaktion gegen François und der Mord an Tessa. Ich konnte mich ja ohnehin nicht mehr entsinnen, was genau wir bei Tessa getan hatten, um sie zu töten; ich wusste lediglich, dass sie irgendwann in unserem Salon gelegen hatte, kein Dämon mehr, sondern eine uralte, dahinsiechende Frau, und ich ihr die Spritze gesetzt hatte. Alles, was davor geschehen war, hatte sich im Nebel meiner verlorenen Erinnerungen aufgelöst.
    Schon allein deshalb kam ein Mord nicht infrage. Außerdem musste man einen Mord planen, jedenfalls dann, wenn er einem ungleich Stärkeren galt, und planen durfte ich nicht. Abgesehen davon fühlte ich mich nicht gewillt, ein weiteres Mal zu töten. Das hätte auch Morpheus erledigen können. Es wäre zu einfach, hatte er gesagt. Zu leicht. Für ihn mochte das ja zutreffen, aber für mich schien alles, was jetzt kam, eine kaum zu bewältigende Aufgabe, bei der ich genau das nicht tun durfte, was ich gerade erst mühsam wiedererlangt hatte, wenn auch eher wie ein Grundschuldkind als wie eine Erwachsene: denken. Überlegen. Abwägen.
    Dennoch versuchte ich mich der anderen beiden Anrufe von Morpheus zu entsinnen, die er von der einzigen Telefonzelle Oias aus getätigt hatte. Was hatte er mir gesagt? Ich lehnte meine Stirn gegen die kühle Metallstange der Reling, um mich zu fokussieren, denn das unregelmäßige Wogen der Dünung wirkte auf mich wie Alkohol, es ließ meine Gedanken bereits jetzt unscharf werden, obwohl wir die Insel noch sehen konnten. Der erste Anruf … Er hatte mich in einer Gewitternacht erreicht, als ich allein zu Hause gewesen war und mich zu Tode gefürchtet hatte. Ja, jetzt fiel es mir wieder ein – Morpheus hatte nach meinem Vater verlangt. Er hatte ihn sprechen wollen und ich hatte ihm gesagt, dass Papa in Italien sei.
    Der Zweck dieses Anrufes war für mich schnell geklärt: Vermutlich wollte er Papa Informationen über Colin mitteilen, denn der war schließlich der Grund gewesen, weshalb Papa überhaupt nach Italien aufgebrochen war. Wen hatte er dort eigentlich befragen wollen? Ich riss meinen Kopf ruckartig nach oben und verlor beinahe das Gleichgewicht, als eine ungeahnte Schlussfolgerung durch meinen Kopf raste. Als Papa vergangenen Sommer nach Italien gereist war, hatte er garantiert Angelo nach Colin befragen wollen. Die beiden waren in einem ähnlichen Alter, Angelo hatte Kontakt mit Papa gehabt, sich ihm gegenüber als der ängstliche Junge ausgegeben. War es Angelo gewesen, der ihm von Colins Fluch erzählt

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