Dornenkuss - Roman
reingemalt.«
»Was?« Meine Stimme überschlug sich vor Verblüffung. »Aber wie … wie … Wie konntest du das tun? Und warum hast du es gemacht?«
»Erinnerst du dich noch an den Tag, an dem wir zusammen aus Hamburg in den Westerwald gefahren sind? Paul, du und ich? Und du mir gesagt hast, dass du den Safeschlüssel gefunden hast? Ellie, du warst damals so mies drauf, so unglücklich und traumatisiert und neben der Spur und ich wollte doch dringend nach Tessa suchen. Deshalb hab ich dir den Schlüssel aus der Tasche geklaut, während du geschlafen hast, und den Safe geöffnet. Du wolltest es ja erst am nächsten Tag tun. Bei euch einzubrechen, ist übrigens echt kein Problem. Ihr solltet mal eure Türen besser sichern … Ist ja gut, ich bleibe beim Thema.« Tillmann hob die Hände, als wolle er mich in Schach halten, als ich ihn warnend ansah. »Im Safe waren nur diese dämliche Visitenkarte und die Europakarte. Ich hab gedacht, ich seh nicht recht …«
»Und das Geld. Geld war auch noch da. Jede Menge!«
Tillmann winkte ab. »Interessierte mich nicht. Ich wollte Infos. Den Brief hab ich nicht geöffnet, das war mir zu privat, aber ich fürchtete, wenn du siehst, dass keine echten Informationen im Safe liegen, unternimmst du gar nichts und kümmerst dich nur um deinen Bruder. Also hab ich einen Stift genommen und Süditalien markiert, möglichst auffällig, weil ich von dir wusste, dass Tessa dort zu Hause war. Denn ich wollte mit dir und Colin hinfahren. Ich hab schon kurz danach kapiert, dass das scheiße war, aber andererseits … es hat funktioniert …«
»Verdammt noch mal, wer hat mich hier eigentlich nicht manipuliert?«, brüllte ich, packte den Teller vom Nachttisch und schmetterte ihn haarscharf neben Tillmanns Kopf gegen die Wand. Er zerbrach sofort. Fettige Scherben rieselten auf Tillmanns linke Schulter.
»Ellie …« Er rückte noch ein Stück weiter weg und sah mich reumütig an. »Ich weiß, dass es nicht in Ordnung war, es tut mir leid. Du glaubst gar nicht, was für Schuldgefühle ich hatte, als dich der Floh gebissen hat und danach das mit Angelo passiert ist … Wenn wir nicht nach Italien gefahren wären, wäre das alles niemals geschehen. Auch deshalb hab ich Drogen genommen. Ich konnte mit dieser Schuld kaum mehr leben. Und so konnte ich auch deine Bitte nicht abschlagen, dich in die Sila zu begleiten. Du hattest nämlich recht. Ich stand in deiner Schuld.«
Ich schüttelte den Kopf und nahm Tillmanns Wasserflasche, um sie mir an die Stirn zu drücken. Ich brauchte dringend Kühlung, bevor ich noch überkochte. Gleichzeitig war ich insgeheim froh, dass es nicht Papa gewesen war, der Südtalien markiert hatte, auch wenn diese Erkenntnis den Zweck der Karte und den der anderen Kreuze immer noch nicht befriedigend erklärte.
»Mal abgesehen davon, dass wir wahrscheinlich sowieso irgendwann nach Italien gefahren wären, hast du mich deshalb aus dem Bett geschmissen, als ich zu dir gekrochen kam?«
»Nein, das war einfach kacke, was du da gemacht hast, Ellie. Ob ich nun vorher einen Fehler begangen hab oder nicht. Aber es stimmt schon, dass ich wegen der Sache mit der Karte so still war und nicht mit dir reden wollte … Ich hatte irgendwie niemals Zweifel, dass wir Tessa erledigen können. Doch als plötzlich die Gefahr bestand, dass wir alle an der Pest erkranken, wurde mir klar, was ich damit angerichtet hab. Trotzdem, du hättest nicht zu mir ins Bett kommen dürfen.«
Erst gestern hatte ich mich zum ersten Mal klar und deutlich an jene eine Nacht kurz nach Tessas Tod erinnern können. Durch diese Aktion hatte es in meinen Augen angefangen, zwischen Tillmann und mir zu kriseln, und schon wenige Stunden später war ich Angelo begegnet. Ebenfalls eine perfekte Vorlage für sein Vorhaben, wenn auch ohne sein Zutun.
»War das denn wirklich so schlimm? Ich wollte dich nicht anmachen, ich schwöre es! Ich hab mich nur absolut allein gefühlt …«
»Ja, allein«, unterbrach Tillmann mich. »Allein? Denk mal drüber nach, was du sagst, Ellie. Ich hatte gerade die Frau ermordet, die ich geliebt habe – übrigens ein Scheißgefühl, das kannst du glauben –, war mir sicher, dass ich nie wieder eine andere an mich ranlassen kann, und das Erste, was du nach der Quarantäne machst, ist, mit Colin zu schlafen. Du hattest deinen Mahr noch, während ich meinen töten musste, nicht nur für mich, sondern vor allem für euch! Das war nicht fair!« Er war laut geworden, während
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