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Dornenkuss - Roman

Dornenkuss - Roman

Titel: Dornenkuss - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: script5
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denn ich hab selten so gut geschlafen wie in den Tagen seit meinem Urlaub. Ist wohl die gesunde Schweizer Luft. In einer Nacht hab ich von Dir geträumt und deshalb … hab ich gedacht, ich schreib Dir.
    Hey, ich merke gerade, dass das echt krass ist, einen Brief an jemanden zu schreiben, den man gar nicht kennt. Weiß nicht mal mehr genau, wie Du ausgesehen hast. Nur noch, dass Du so einen kühlen, intensiven (und manchmal traurigen …) Blick hattest. Gefährlich irgendwie, wie das Mädel aus dem Hurts-Video, Wonderful Life . Die zwischen Sänger und Keyboarder. Die erinnert mich an Dich. Musst Du Dir mal ansehen. Nicht diese alte Schnulze von Black, sondern Wonderful Life von Hurts. Okay? Hurts! Cooler Song.
    Ja, keine Ahnung. Verrückt, oder, das alles? Muss jetzt mal aufhören. Susi kommt gleich. (Das ist das Mädchen).
    Mach’s gut, und wie gesagt: alles in Ordnung!
    Grischa«
    »Oh Grischa, du alter Macho.« Ich wischte mir eine kleine heiße Träne aus dem Augenwinkel – eine Träne der Ernüchterung, wie ich feststellen musste. Dieser Brief löste beileibe nicht das sofortige Bedürfnis aus, nach Hause zu stürzen und eine Antwort aufzusetzen. Er vermittelte mir eher das Gefühl, dass er dazu dienen sollte, mir das Maul zu stopfen.
    Ja, Grischas Exfreundin hatte es schon korrekt formuliert, obwohl sie genau das, was ihr nun fehlte, unterschwellig in ihm gefürchtet hatte: Grischa war entzaubert. Die Magie war fort. Doch er schlief wieder tief und fest, er träumte (sogar von mir) und er hatte ein Mädchen gefunden, das erste, das ihn so kennenlernen durfte, wie er wirklich war, seitdem Angelo ihn vor so vielen Jahren geprägt hatte. Ich hatte ihn befreit.
    Zugegeben, ich hatte mir andere Zeilen erhofft, irgendetwas Persönlicheres, Gefühlvolleres, Reiferes. Aber das hätte mein Leben nur komplizierter und nicht einfacher gemacht. Grischa würde seine besondere Bedeutung für mich behalten, doch dieser Brief hatte mir nur die Bestätigung für das gegeben, was ich auf Santorin bereits gespürt hatte. Wir würden einander nie nahekommen. Ich wusste um unser Geheimnis und ich würde damit allein bleiben. Es ergab keinen Sinn, ihm davon zu erzählen.
    War ich denn nun in der Lage, auch Papas Brief zu öffnen? Irgendwann würde ich es tun müssen und es konnte sich nur noch um Tage handeln, bis Gianna und Paul Druck machten und mich zur Heimreise überredeten. Dass sie schon lange zurück nach Deutschland fahren wollten, sah ich ihnen nicht nur an; ich wusste es. Es wurde langweilig, hier zu sein. Und ich zögerte etwas hinaus, was ich doch nicht ändern konnte. Mein Geld war fast aufgebraucht; selbst wenn ich allein hierblieb, würde ich mich nicht länger als zwei, drei Wochen über Wasser halten können.
    Ich drückte meine Füße in den warmen Sand und wartete, bis mein Herz etwas ruhiger schlug. Dann öffnete ich auch Papas Kuvert. Seinen Brief zu lesen, konnte nicht schmerzhafter sein, als erkennen zu müssen, dass Angelo sein Mörder gewesen war. Und ich musste es endlich tun, sonst würde ich es nie wagen.
    Ich stutzte, als ich bemerkte, dass zwei Bogen in dem Umschlag steckten, ein eng beschriebener, vermutlich der eigentliche Brief, und eine schwarz-weiße Kopie der verfluchten Europakarte. Ihr widmete ich mich als Erstes, denn sie erschien mir harmloser und auch auf ihr prangten handschriftliche Zeilen. Tatsächlich, auf dieser Karte fehlte das dicke Kreuz in Süditalien.
    Ich trug Tillmann seinen Versuch, mich zu beeinflussen, jedoch nicht nach. Wir wären so oder so nach Italien gefahren. Das wusste ich so sicher wie das Amen in der Kirche. Er hatte mich nur nicht gut genug dafür gekannt. Ich war zäher, als er dachte. Und wenn ich mich nicht dafür entschieden hätte, hätte Angelo mir vermutlich solch nagende Italien-Fernweh-Träume eingepflanzt, dass ich es doch irgendwann getan hätte und ihm in die Arme gelaufen wäre. Vielleicht hatte er das sogar getan. Er hatte mich in seinem Revier erlegen wollen.
    Aber warum hatte Papa mir eine Kopie der Karte in den Brief gelegt? Ich drehte sie um, um zu lesen, was er mir schrieb.
    »Und noch ein Postskriptum: Mich plagt die Befürchtung, dass Du das Original zerrissen oder verbrannt hast, nachdem Du einige der Orte auf der Europakarte angefahren und dort nicht den klitzekleinsten Mahr gefunden hast. Ach, Elisa, natürlich zeigen die Kreuze keine Mahrresidenzen (das hoffe ich zumindest!). Was wäre ich für ein Vater, wenn ich Dich ins Verderben

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