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Dornenkuss

Dornenkuss

Titel: Dornenkuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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souverän ihre Peinlichkeit – souverän oder weil er zu schüchtern war, um meinen Blicken standzuhalten? Hatte ich ihn in Verlegenheit gebracht? Wohl kaum. Trotzdem sollte ich mein Starren ein wenig mäßigen.
    Als er mit zwei Gläsern in der Hand zurückkam – Eistee –, hatte ich mich wieder unter Kontrolle gebracht. Ich nahm einen kleinen Schluck, um meine vor Aufregung trockene Kehle zu befeuchten.
    »Also«, sagte ich gefasst. »Du … du hast gesagt, dass du weißt, wer ich bin?«
    Angelo nickte und nahm ebenfalls einen Schluck. »Ja, das weiß ich, zumindest gehe ich davon aus, dass ich es weiß … Ellie Sturm, oder?«
    »Ja. Elisabeth eigentlich oder eben Ellie, manchmal auch Elisa, Lieschen, Lassie …« Ich stockte. Hatte ich diesen Kosenamen preisgeben dürfen? War das unrecht? Aber meine Freundinnen hatten mich früher auch so gerufen. Ich überließ anderen Menschen, wie sie mich nannten, jeder hatte so seine eigenen Ideen.
    »Elisa …«, wiederholte Angelo nachdenklich, als würde er überlegen, ob dieser Name zu mir passte.
    »Ja, Gianna nennt mich so, es hat wohl was mit Homo Faber zu tun, in diesem Buch gibt es doch auch eine Elisabeth und von ihrem Vater wird sie Sabeth genannt und von ihrer Mutter Elisa …« Ich stockte wieder, denn Angelos sandfarbene Brauen kräuselten sich. Nachdenklich schüttelte er den Kopf, seinen Blick nach innen gerichtet.
    »Nicht?«, fragte ich forschend.
    »Nein, ich glaube nicht. Sie nennt sie Elsbeth.«
    »Elsbeth! Oh, wie furchtbar … Bist du dir sicher?«
    »Ziemlich sicher. Ich habe das Buch ungefähr zwanzig Mal gelesen, es ist grandios. Na, nicht so wichtig. Elisa ist ja auch schön. Wie soll ich dich denn nennen?«
    Ich fand es schon wichtig. Ausgerechnet Gianna, unsere Literaturpäpstin, hatte Homo Faber falsch zitiert. Das an sich war vielleicht noch verzeihlich, wobei ich ihr ihre Schlampigkeit irgendwie übel nahm; was mich daran aber beunruhigte, war die Tatsache, dass ansonsten nur Papa mich Elisa genannt hatte. Papa und Gianna waren sich begegnet. Gianna hatte abgestritten, dass sie mehr miteinander zu tun gehabt hatten als diese eine berufliche Zusammenkunft auf einer Konferenz, und ich hatte ihr geglaubt. Aber jetzt nagten wieder Zweifel an mir … Waren sie berechtigt? Oder hatte sie sich einfach nur geirrt?
    »Hey. Noch da? Wie soll ich dich nennen?«
    Angelos Lächeln befreite mich aus meinem plötzlichen Verfolgungswahn.
    »Keine Ahnung. Ellie, würde ich sagen. Ich bin ja auch nicht hier, um mir einen perfekten Namen zu suchen.« Klang das unverschämt? Aber mir ging diese Namenssucherei auf den Geist. Sie fühlte sich unbefriedigend an, schon immer war das so gewesen. Auf keinen Fall durfte er mich Lassie nennen, das war Colin gestattet und sonst niemandem.
    »Okay, von mir aus Ellie«, willigte Angelo ein, offenbar weder gekränkt noch genervt. Er lächelte immer noch. Ich hätte ihn gerne nur angeschaut, anstatt zu reden, doch ich hatte ein Anliegen, das wichtiger war.
    »Du weißt also, dass ich mit einem Mahr zusammen bin und … weißt du auch, wer mein Vater ist?« Auf einmal packte mich rasende Angst, etwas Schlimmes zu erfahren, etwas, was mein Leben für immer verfinstern würde. Ich umklammerte meinen Eistee so fest, dass das Glas leise knirschte. Gleich würde es zerspringen. Angelo befreite es beiläufig aus meinen Fingern, ohne mich dabei zu berühren, genau wie es bei der Katze geschehen war. Mehr als einen Handschlag würde es zwischen uns wohl niemals geben.
    »Ja, auch das weiß ich, ich bin ihm sogar begegnet.«
    »Du bist ihm begegnet?« Ein Königreich für eine andere Stimme, gefestigter und erwachsener. Ich verfluchte mein erschrockenes und zugleich hoffnungsvolles Piepsen. »Weißt du, wo er ist? Er ist verschwunden, seit Monaten schon … Wir wissen nicht, was mit ihm geschehen ist. Und ich habe keine Ahnung, wo ich bei meiner Suche beginnen soll.«
    »Ellie …« Angelo blickte kurz zu Boden und schüttelte den Kopf, bevor er mir bedauernd in die Augen schaute. »Ich würde dir gerne etwas anderes sagen, aber … ich weiß nichts über seinen Verbleib. Ich fürchte, ich kann dir nicht weiterhelfen.«
    Ich hatte an Angelos Lippen gehangen, in der Hoffnung, dass jede neue Silbe zu einer Wendung führen würde, doch nun gab es an dem, was er gesagt hatte, nichts mehr zu rütteln. All die Unverwundbarkeit und das Selbstvertrauen, die ich eben noch gespürt hatte, verpufften. Ich wollte mich am Piano festhalten, um

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