Dornenliebe
wie auf der Party gestern spürt sie den Wein schnell zu Kopf steigen, ihr Magen ist leer, zum Glück friert sie nicht mehr, sie lehnt sich zurück, lockert die angespannten Schultern und blickt sich im Restaurant um.
Falk hat recht, denkt sie. Es ist wirklich schön hier. Die Tische sind durch Nischen voneinander getrennt, sodass jeder Gast das Gefühl einer vertrauten Atmosphäre bekommt. Es ist gut besucht, aber nicht überfüllt, an den besetzten Tischen sitzen gut gekleidete Leute, die in intensive, aber friedliche Gespräche vertieft scheinen. Die Kerzen auf den Tischen und der Wandkamin vermitteln eine warme, behagliche Atmosphäre, sämtliche Einrichtungsgegenstände bestehen aus einem rötlichen Holz, was diesen Eindruck noch unterstreicht. Erneut nippt sie an ihrem Glas, stellt es wieder ab, dreht es nachdenklich am Stiel hin und her.
»Na«, unterbricht Falk ihre Gedanken. »Das machen wir doch zusammen, denke ich.«
»Was …?« Luna schreckt auf. Falk hat ebenfalls sein Weinglas aufgehoben und blickt sie abwartend an. »Was machen wir zusammen?«
»Das Glas anheben und trinken«, bekräftigt er. »Das macht doch nicht jeder für sich, wir sind schließlich gemeinsam hier. Hier, und nicht in einer Bierkneipe.«
»Ach so.« Luna hebt ihr Glas und sieht ihm in die Augen. »Ich bin solche Regeln nicht gewohnt, weißt du. Von zu Hause her, meine ich. In unserer Familie hebt jeder am Tisch sein Glas, wann er will, und trinkt, wenn er Durst hat. Entschuldige bitte.«
»Mit Regeln hat das nichts zu tun«, erwidert Falk. »Das ist eine Frage des Gefühls.«
Danach ist es nicht leicht, das Gespräch wieder in Gang zu bringen. Der Kellner bringt eine kleine Vorspeise, die aufs Haus geht, ein wenig Rucolasalat mit je zwei Garnelen. Wie nett, denkt Luna; so bekomme ich wenigstens ein bisschen was aus dem Meer. Falk isst wortlos, Luna achtet darauf, nun auch immer gleichzeitig mit ihm ihre Gabel zum Mund zu führen. Sie hat ihren Campari noch nicht ausgetrunken, er war ihr zu bitter, dennoch ist sie versucht, den letzten Schluck noch zu nehmen, um Falk nicht zu enttäuschen, fragt sich aber gleichzeitig, ob sich das vielleicht nicht schicke, da sie bereits mit dem Wein begonnen haben. Beinahe synchron legen sie ihr Besteck wieder hin.
»Ich glaube, der Kellnerberuf ist nicht leicht«, sagt Luna mehr zu sich selbst als zu Falk, nachdem der Kellner erneut am Tisch war, um vom Wein nachzuschenken. In ihrem Kopf schwimmt es, sie streichelt Falks Finger, damit er nicht mehr an ihren Fehler denkt, ihr stattdessen in die Augen sieht, sie kann nicht genug bekommen von seinen Augen, will so dringend die warmen Lichter darin wiedererkennen. Der Abend ist zu schön, zu besonders, um sich gleich zu streiten. »Ich könnte das nicht - auswendig lernen, welcher Wein zu welchem Essen passt, für das ganze Drumherum sorgen, damit jeder zufrieden ist. Der da ist doch wirklich nett, er ist bestimmt wirklich noch in der Ausbildung, er kann kaum älter sein als ich. Hast du seinen spanischen Akzent bemerkt, als er geredet hat?«
Falk schüttelt den Kopf. »Das interessiert mich auch gar nicht«, meint er. »Dich offenbar schon, ja?«
Luna überhört den ironischen Ton in seiner Stimme im letzten Satz. Die Garnelen waren köstlich, die Küche scheint wirklich etwas Besonderes zu sein, sie beginnt sich auf den Hauptgang zu freuen, und sie sitzt hier mit Falk, ist eingeladen, darf einfach genießen.
»Ich kann ein bisschen Spanisch«, berichtet sie. »In der Schule hatte ich darin den Profilkurs belegt. In Portugal war das manchmal die Rettung, denn keiner aus unserer Campingclique konnte Portugiesisch, aber mit meinen paar Brocken Spanisch kam ich ganz gut weiter.«
»Ah ja.« Falk strafft seine Schultern und lehnt sich zurück, »und nun möchtest du ein wenig in Übung bleiben, nehme ich an?«
»Kann nicht schaden, oder?« Luna lächelt und prostet ihm zu. »Sonst verlernt man ja so viel.«
Falk antwortet nicht. Als der Hauptgang serviert wird, bedankt sich Luna auf Spanisch und wechselt mit dem Kellner ein paar Worte in dessen Muttersprache, erntet Anerkennung und Komplimente für ihren Wortschatz und ihre Aussprache, lacht mit ihm. Falk beobachtet sie mit verschränkten Armen. Als sie wieder allein sind, erschrickt Luna über den düsteren Ausdruck in seinem Gesicht.
»Ist was?«, erkundigt sie sich eilig. »Habe ich was falsch gemacht?«
Falk greift nach seinem Messer und rammt es in das Rinderfilet, das appetitlich
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