Dornenliebe
Meinst du nicht?«
Nach dem Dessert, einer raffinierten Eiskreation mit frischen Erdbeeren und grünem Pfeffer, drängt Falk zum Aufbruch. Auf der Straße stellt Luna fest, dass es nicht mehr regnet und ein milder Wind aufgekommen ist.
»Wir könnten spazieren gehen«, schlägt Falk vor. »Magst du? Wir fahren an den Tegeler See, da ist um diese Zeit kein Mensch. Er ist gar nicht weit von hier.«
Am Ufer legt Falk seinen Arm fest um Lunas Schulter, sie gehen im gleichen Schritt, Luna hat es gar nicht bemerkt, doch wann immer sie aus dem Takt gerät, bleibt Falk stehen, damit sie ihre Schritte wieder seinen angleichen kann. Anfangs erscheint es ihr ungewohnt, doch mit der Zeit gewöhnt sie sich daran, im Takt mit ihm zu sein, schmiegt sich fest an seine Seite, genießt das Gefühl, wie sein Arm schwer auf ihr ruht, ihre Schulter passt beinahe in seine Achselhöhle. Als sie ihm dies sagt, lacht er leise.
»Das muss Schicksal ein«, scherzt er. »Wir passen zusammen wie zwei Puzzleteile.« Aber dann bleibt er stehen. Sie sind an einem Bootssteg angekommen, der zu einem festgetäuten Ruderboot führt. Ohne Luna loszulassen,
führt er sie hinunter und lässt sie einsteigen, klettert selbst hinterher, macht sich an den Tauen zu schaffen.
»Willst du jetzt eine Mondscheinfahrt mit mir machen?«, fragt sie verwundert. »Das ist doch nicht dein Boot. Oder?«
Falk lacht anstelle einer Antwort, tritt schnell auf sie zu und zieht sie an sich. Das Boot schwankt unter ihnen, als sie sich küssen, Luna strauchelt für einen Moment, doch Falk hält sie sicher. Als das Schaukeln nachlässt, setzt er sich vorsichtig hin, zieht Luna zu sich herunter und hält sie so, dass sie ihren Rücken an seine Brust lehnen kann. »Lass uns einfach hier sitzen und den Sternenhimmel genießen«, sagt er. »Nur du und ich.« Er schlingt seine Arme noch fester um sie, Luna fühlt seine Schenkel, die sich von außen eng an ihre drücken, sein Körper wärmt sie von hinten, auf die Dauer wäre es sonst doch kühl gewesen, trotz der milderen Witterung. Luna spürt seinen Atem, der in sanften Strömen ihr Ohr streift, kein erregtes Keuchen, weil er ihre Nähe spürt, kein Anfassen an Stellen, die er jetzt leicht erreichen könnte. Falk ist einfach nur da. Für Luna da.
»So könnte ich jetzt einschlafen«, sagt sie und schließt tatsächlich die Augen, gibt sich seiner Wärme und den sanften Wellenbewegungen des Flusses hin. »Bei dir habe ich das Gefühl, nach einer langen Reise endlich angekommen zu sein.«
Falk küsst ihre Wange. »Schön«, sagt er. »Dann ist es auch so.«
Eine Weile spricht keiner von ihnen. Luna lauscht dem Plätschern des Wassers, dem leichten Rascheln der Blätter, wenn eine Brise die Zweige über ihnen bewegt, dem fernen Rauschen des spätabendlichen Stadtverkehrs. Jetzt könnte er mir wirklich etwas über sich verraten, denkt sie. Etwas über seine Vergangenheit, seinen Beruf. Niemand
kann uns hören, und wahrscheinlich hat keiner von uns je eine solche Nähe zu einem anderen Menschen verspürt. Irgendetwas muss mit ihm sein, das ihn so verletzlich macht. Vielleicht hat ihm jemand einmal sehr wehgetan. Ein Mädchen?
Aber Luna wagt nicht, noch einmal zu fragen, und Falk schweigt.
Bestimmt eine halbe Stunde haben sie ganz still gesessen und dem sanften Schaukeln des Bootes nachgespürt, als Falk sich plötzlich aufrichtet. Sofort beginnt das Boot wieder zu schwanken, Luna stützt sich mit dem Arm ab, bemerkt, dass Falk die Ruder aufnimmt und in die vorgesehenen Halterungen schiebt.
»Halt mal fest«, sagt er und macht sich schon am Tau zu schaffen, während Luna die Ruder übernimmt und darauf achtet, dass ihr keines aus der Hand rutscht, sie friert jetzt doch, der Wind hat zugenommen und die Feuchtigkeit, die vom Fluss aufsteigt, kriecht ihr unter die Kleidung.
»Was hast du vor?«, fragt sie, aber er hat das Boot schon losgemacht und setzt sich hin, nimmt ihr die Ruder wieder ab, Luna zieht ihre Jacke enger um die Schultern. Gleichmäßig durchpflügen die Ruder das schwarze Wasser, Luna beobachtet erstaunt, wie rasch sie sich vom Ufer entfernen.
»Gute Idee, diese Mondscheinfahrt«, sagt Falk und lacht leise, seine Stimme klingt jetzt anders, denkt Luna, aber vielleicht liegt das an der Stille ringsum, an der Weite, an der bald hereinbrechenden Nacht. Nach kurzer Zeit sieht sie ein anderes Ufer, näher als das, von dem sie abgelegt haben. Falk rudert mit gleich bleibendem Tempo, seine Kräfte scheinen nicht
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