Dornenliebe
gedacht, an niemanden!«, ereifert sich Luna. »Vielleicht ist mir ein uralter Witz durch den Kopf gegangen, ich weiß es nicht einmal mehr, so unbedeutend war es. Die Saxophonistin da vorn auf der Bühne hat mich beeindruckt, sie scheint echt gut zu sein, so wie sie abgeht.«
»Sie spielt miserabel«, widerspricht Falk. »Absolut dilettantisch. Ich war schon drauf und dran zu gehen.«
»Okay, okay.« Luna hebt beide Hände. »Ich verstehe nichts vom Jazz. Meist spielen ja Männer Saxophon, ich finde es einfach gut, wenn auch mal eine Frau …«
»Genug. Ich sehe dir doch an, dass du lügst. Ab jetzt schaust du entweder auf die Tischplatte vor dir oder zu mir. Ich dulde nicht, dass meine Freundin wild in der Gegend herumflirtet wie ein billiges Flittchen. Und sieh zu, dass du deinen Wein austrinkst. Mir ist die Freude an der Musik vergangen.«
Luna schluckt, aber sie weiß, es hat in solch einem Moment wenig Zweck, Falk zu widersprechen. Also gehorcht sie, setzt sich so gerade auf ihrem Stuhl zurecht, dass sie sich fühlt, als hätte man sie in ein Korsett gezwängt, legt eine Hand an ihr Weinglas, die andere auf die Tischplatte. Blickt auf die Tischdecke, dann zu Falk, wieder auf den Tisch. Wieder zu Falk, der sich nun zu entspannen scheint, sich auf seinem Stuhl zurücklehnt, erneut der Musik lauscht, Luna glaubt ihm nicht, dass ihm die Band nicht gefällt.
Als das letzte Stück verklungen ist, ertönt Musik vom Band. Luna wartet darauf, dass Falk sich erhebt und gehen will, wie er es angekündigt hat, doch nun bleibt er sitzen, nippt an seinem Glas, streichelt Lunas Hand, bestellt eine Käseplatte mit Oliven für sie beide. Beginnt zu plaudern, erzählt von Immobilienbesitzern mit horrenden
Preisvorstellungen für regelrechte Bruchbuden, von Interessenten, die sich hochherrschaftlich aufführen, obwohl sie nur kleine Angestellte sind, beschreibt Häuser und malt Luna aus, wie es sein könnte, eines Tages zusammen in einer Villa mit Garten zu leben und Kinder zu haben. Erzählt von dem großen Geländewagen, den er sich dann kaufen will. Fragt nach, wie ihr Tag in der Uni war, Luna bemerkt, wie sehr er sich bemüht, seine Stimme auch bei dieser Frage entspannt klingen zu lassen.
»Ganz normal«, antwortet sie. »Ein paar Vorlesungen, Mittagessen in der Mensa - so langsam blicke ich durch, wie der Betrieb läuft.« Sie überlegt, was sie Falk noch erzählen kann, ihr will partout nichts Interessantes einfallen, sie lässt nun doch ihren Blick durch den Raum schweifen, glaubt, ein bekanntes Gesicht zu erblicken. »Guck mal«, sie deutet hinüber zur Bar auf einen jungen Mann, der mit einem Bierglas in der Hand davor steht und nur im Halbprofil zu sehen ist, »dort drüben, ist das nicht Johannes? Ruf ihn doch her, er kann mit an unserem Tisch sitzen!«
Falks Pupillen verengen sich.
»Das ist nicht Johannes«, sagt er knapp. »Er verabscheut Free Jazz. Warum hast du an die Bar geschaut?«
Luna starrt ihn an.
»Das war Zufall, weiter nichts«, versichert sie. »Auf der Bühne passiert ja gerade nichts, ist es nicht normal, sich dann ein wenig im Raum umzusehen? Das macht doch jeder, das kannst du mir nicht ernsthaft verbieten.«
»Du hast nach anderen Männern geschaut«, beharrt Falk. »Gib es ruhig zu, ich sehe es sowieso an deinen Augen.«
»Das ist absoluter Unsinn, Falk«, widerspricht Luna. »Die Männer in diesem Lokal interessieren mich nicht, aber ich kann doch nicht die ganze Zeit nur auf einen
Fleck starren. Vielleicht ist mein Blick zur Bar geschweift, weil ich kurz überlegt habe, ob ich noch etwas zu trinken haben möchte. Mein Glas ist fast leer.«
»Du hast nicht an die Bar zu gucken«, fährt er sie an. »Weder lechzt du an meiner Seite nach Alkohol noch nach anderen Kerlen. Und auch sonst schaust du nirgendwo hin. Deine Augen sind auf die Tischplatte oder auf mich gerichtet. Haben wir uns verstanden?«
»Falk, das ist albern, wo leben wir denn? Du kannst mir in einer ganz normalen Kneipe keine Scheuklappen aufsetzen wie einem Kutschpferd. Ich dachte, du freust dich, wenn ich deinen Cousin entdecke und er sich zu uns setzt.«
»Was willst du von ihm, he? Ihm schöne Augen machen? Du bist also an ihm interessiert?«
Luna hebt die Schultern. »Es hat keinen Zweck«, meint sie. »Du glaubst mir sowieso nicht.« Sie kann Falk nicht mehr ansehen, so tief verletzt sie sein Verhalten, sein Misstrauen, also versucht sie, so knapp an ihm vorbeizusehen, dass er es nicht bemerkt.
»Die Augen zu
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