Dornenliebe
mir«, fordert er dennoch erneut. »Oder auf die Tischplatte. Alles andere existiert für dich nicht.«
Luna gibt auf. Sie senkt ihren Blick und gehorcht, nippt an ihrem Wein, beachtet niemanden mehr, aber auch Falk nicht. Das ist alles nicht wahr, denkt sie; Jaron, wenn du wüsstest, was sich hier abspielt und was ich mit mir machen lasse, würdest du mich nicht mehr für normal halten. Ich zweifle ja schon selbst an meiner Wahrnehmung. Aber du warst da, Jaron. Du warst da und hast mich gekitzelt und wir haben miteinander geredet und gelacht. Mein Kopf ist nicht aus Glas und Falk kann meine Gedanken nicht lesen, ich muss nur auf meine Mimik achten, die darf mich nicht verraten.
Luna hält sich fest an der Erinnerung an die wenigen
Minuten mit ihm, zieht sich darin zurück wie in einen schützenden Kokon; jetzt nur nicht die Nerven verlieren. Weitermachen. Irgendwann wird auch dieser Ausbruch Falks vorbei sein.
»So ist es gut«, bemerkt Falk nach einer Weile und lehnt sich zurück. »Jetzt kann der Abend doch noch schön werden. Du musst es nicht als Strafe empfinden, wenn ich so reagiere, Luna. Eines Tages wirst du es verstehen. Du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben, mein Ein und Alles. Nur deshalb könnte ich es nicht ertragen, auch nur deinen Blick mit einem anderen zu teilen. Was möchtest du haben? Noch ein Glas toskanischen Pinot Grigio?«
Während Falk sich entspannt, verharrt Luna in ihrem Kokon, bis er den Aufbruch bestimmt. Nur zu gern wäre sie jetzt allein in ihrer Wohnung, doch Falk steuert die Straße an, in der sein Penthouse liegt.
»Ich möchte gleich schlafen«, sagt Luna. Der Abend hat sie mehr Kraft gekostet als der gesamte Tag, sie meint die Erschöpfung in jedem einzelnen Knochen zu spüren. Falk gibt sich aufgeräumt, schlägt ihr die Bettdecke zurück, geht in die Küche, um ihr ein Glas Wasser für die Nacht zu holen. Als er zurückkommt, ist Luna gerade dabei, ihre Bluse aufzuknöpfen, das Sleepshirt liegt schon auf ihrem Kopfkissen. Falk bleibt dicht vor ihr stehen, das Wasserglas noch in der Hand.
»Diese tiefen Ausschnitte hören auch auf«, bestimmt er, sagt es nicht in barschem Tonfall, sondern eher wie die Feststellung einer Tatsache, wie eine Nachricht. Freundlich, distanziert, mit einem Lächeln von oben nach unten. »Und du erzählst mir jetzt nicht, dass du das auch in der Uni anhattest.«
Luna schüttelt den Kopf, jetzt ist sie wieder hellwach. »Ich habe mich abends für dich umgezogen. Kurz bevor du mich abgeholt hast.«
»Was hattest du tagsüber an?«
»Eine andere Bluse. Mehr wie ein weites Hemd geschnitten. Darüber eine lange Strickjacke.«
»Wie tief war der Ausschnitt?«
»Ich habe nicht nachgemessen. Falk, ich bin wirklich müde. Und ich gehe nicht zur Universität, um weibliche Reize zur Schau zu stellen.«
»Danach habe ich nicht gefragt«, erwidert er, noch immer beherrscht, noch immer ruhig. »Ich weiß längst, dass du darunter nicht dasselbe verstehst wie ich. Bis wohin war dein Dekolleté zu sehen?«
Luna zeigt einen Bereich etwa eine Handbreit unter dem Kehlkopf.
»Das hört auf«, wiederholt Falk und stellt das Glas an seinen Platz. »Morgen ziehst du etwas Hochgeschlossenes an, an allen folgenden Tagen ebenso. Ich bin der Mann, für den du dich hübsch machst. Nicht der halbe Campus in Dahlem.« Er wendet sich zum Gehen. »Das gleiche gilt übrigens auch für dein Make-up. Gute Nacht, Luna.«
Wie ein Geschäftsmann bei einem Vertragsabschluss, denkt Luna, nachdem Falk das Licht gelöscht und die Tür hinter sich geschlossen hat. Wahrscheinlich spricht er so mit seinen Immobilienkäufern. Er, der Makler, stellt die Bedingungen. Verhandelt mit Käufern und Verkäufern so, dass vor allem für ihn selbst das Beste dabei herauskommt.
In den folgenden Wochen bemüht sich Luna, ihre Lebensgewohnheiten Falks Bedürfnissen noch stärker als zuvor anzupassen. Wenn sie sich ganz nach seinen Wünschen richtet, so hofft sie, wird alles gut werden zwischen ihnen, wird Falk merken, dass sie ganz zu ihm steht, und sein Misstrauen aufgeben. Wenn Falk sonntags zu Besichtigungsterminen
unterwegs ist, schlendert sie über Flohmärkte, um sich neu einzukleiden, immer auf der Suche nach Oberteilen mit halsnahem Ausschnitt und Hosen, die nicht zu viel von ihrer Figur preisgeben. Mit der Zeit entwickelt sie ein ihr eigenes Geschick darin, Kleidungsstücke aufzustöbern, die neuwertig, aber billig sind und zumindest zu einem geringen Teil auch ihrem eigenen
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