Dornenliebe
meistens entschuldigt er sich nach einer Weile, wenn sein Zorn verraucht ist. Sie legt ihr Ohr gegen die Tür und versucht, an den Geräuschen zu erkennen, was er macht, doch alles ist still; sie vermutet, Falk sitzt im Wohnzimmer auf der Couch und starrt vor sich hin, noch immer aufgebracht. Sie geht zum Heizkörper und dreht den Regler hoch, bleibt davor stehen und spürt, wie er langsam wärmer wird, drückt ihre Handflächen dagegen. Hebt die Bananenpflanze wieder auf und stellt sie an ihren Platz, sammelt die Erde auf und gibt sie zurück in den Topf, so gut es geht, ein wenig bleibt auf dem hellen Teppichboden zurück. Die Kerzenhalter sammelt sie auf und stellt sie nebeneinander an eine unauffälligere Stelle, vielleicht hat Falk recht, es sollte das Zimmer eines Mannes bleiben, darf nicht zu sehr neu eingerichtet wirken, nicht zu harmonisch dekoriert. Danach stellt sie ein wenig von der ursprünglichen Unordnung wieder her, um den Raum benutzter aussehen zu lassen. Von dem langen Nachmittag und der Arbeit schmerzt ihr der Rücken, gern würde sie sich auf den Schreibtischstuhl setzen, wagt es jedoch nicht, aus Angst, Falk könnte hereinkommen und sie dort sehen, bestimmt würde es seine Wut verstärken, wenn er den Eindruck hätte, Luna würde seinen Platz einnehmen, sich in seinem Zimmer noch weiter ausbreiten, als sie es ohnehin schon getan hat, egal, wie negativ seine Gefühle diesem Raum gegenüber sind.
Falks Schlafzimmer mit Teresa. Luna versucht, sich vorzustellen, wo das Bett gestanden haben könnte, sieht die beiden darin, Teresa nur schemenhaft, wegen ihres Praktikums streitend, verzweifelt, sieht sie weinen, sieht sie
erstarrt neben ihm liegen, die Augen an die Decke gerichtet, die halbe Nacht lang keinen Schlaf findend. Sieht ihre Kleider über einem Stuhl liegend, achtlos darübergeworfen, auf dem Nachttisch keinen Schmuck, den sie abgelegt hat, nichts, worauf sie sich hätte freuen können, es an einem der nächsten Tage wieder zu tragen. Luna lehnt ihre Stirn gegen die Fensterscheibe, vielleicht war es sogar dieses Fenster, aus dem Teresa gestürzt ist, sich gestürzt hat, aber Luna glaubt es nicht, Jaron hat Falks Wohnung nicht erwähnt, hat nur von einem Hochhaus geredet. Sie fragt sich, ob sich in diesem Zimmer noch irgendetwas von Teresa befindet, Spuren von ihr, die längst nicht mehr sichtbar sind und es vielleicht nie waren, Haare, Fingerabdrücke, die letzten Reste wird Luna selbst weggewischt haben, gründlich genug hat sie geputzt.
Noch einmal horcht sie an der Tür, noch immer ist alles ruhig. Luna hat keine Armbanduhr um, ihr Handy liegt noch in der Tasche im Flur, die Uhr auf Falks Schreibtisch ist sicher vor Monaten stehen geblieben, sie hätte an neue Batterien denken sollen. Eine Stunde bin ich jetzt bestimmt schon eingesperrt, denkt sie und spürt Zorn in sich aufsteigen. Was für eine Frechheit, so über mich zu verfügen, denkt sie; er wirft mir vor, ihn nicht richtig zu lieben, aber ist das hier vielleicht Liebe?
Die Zeit vergeht nicht. Luna spürt, dass sie müde wird, spürt es in den Knochen, sie hat einen langen Tag hinter sich, jetzt merkt sie auch, dass sie noch nicht ganz gesund ist, die Gliederschmerzen kommen zurück, nicht so heftig wie vor dem Fieberanstieg, aber dennoch, sie hustet auch wieder leicht. Auf die Dauer ist auch Falks gepolsterter Arbeitsstuhl nicht bequem genug, lieber möchte sie liegen.
Falk kommt nicht.
Luna schätzt, dass weitere zwei Stunden vergangen sind, als sie zu frieren beginnt, die Müdigkeit lässt ihren Kreislauf absinken. Der Gedanke an ihr Bett erscheint ihr übermächtig, sich ausstrecken können, schlafen, ihre weiche Daunendecke über sich. Die Augen zumachen. Sie zieht ihre Strickjacke enger um sich, viel hilft es nicht. Es könnte auf Mitternacht zugehen.
Luna hämmert mit der flachen Hand gegen die Tür.
Nichts passiert.
Kurz ist Luna eingenickt, wird aber gleich darauf von dem Druck auf ihre Blase wach, hämmert erneut gegen die Tür. Sie hört Falks Schritte näher kommen.
»Du kannst zur Toilette gehen«, sagt er. Sieht sie nicht an dabei. Dennoch spürt sie seinen Blick in ihrem Rücken, während er ihr bis vors Badezimmer folgt.
Luna drückt die Spülung, damit er nichts von ihr hört, es ist so entwürdigend.
»Ich möchte mich hinlegen«, sagt sie hinterher mit einer viel helleren, leiseren Stimme, als sie beabsichtigt hatte. Wortlos holt Falk eine Wolldecke aus dem Schlafzimmer, wirft sie ihr hin wie einen
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