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Dornenliebe

Titel: Dornenliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feher
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unwirtliches Nachtlager verwandelt.
    Luna geht in die Küche, Falks benutzte Tasse vom Frühstück steht noch in der Spüle, auf der Arbeitsplatte liegt eine Bäckertüte, Luna befühlt sie, zwei Brötchen sind noch darin. Erneut spürt sie Wut in sich aufsteigen, ohnmächtige Wut. Falk hat nicht mir ihr gefrühstückt, auch heute früh nicht, er hat sie hungern lassen! Nur schwer kann sie den Impuls unterdrücken, gegen den Küchenschrank zu treten, viel zu lange behält sie schon die Nerven, aber jetzt kommt es auf jede Sekunde an, auf jede Bewegung, sie darf keinen Fehler machen. Sie befüllt die Espressomaschine mit Wasser, füllt Pulver ein, genau abgemessen für die richtige Tassenanzahl, schaltet sie ein. Aus dem Wohnzimmer vernimmt sie Falks Stimme, noch immer angespannt, noch immer provozierend, dazwischen beschwichtigende Worte des anderen Mannes, vorsichtiger formulierte Fragen. Als die Espressomaschine zu fauchen beginnt, eilt sie an den Männern vorbei ins Arbeitszimmer, sucht im Regal nach einem Ordner mit der Aufschrift »Steuer«, zieht ihn heraus, eilt zurück ins Wohnzimmer, legt ihn wortlos vor die Männer auf den Sofatisch, verschwindet erneut in der Küche. Lauscht hinüber und hört das Rascheln der Papiere, die Stimmen, jetzt gedämpft, konzentriert, kurz darauf Falk, der sich über irgendetwas ereifert, lauter wird. Luna klappert mit Tassen und Untertassen, um beschäftigt zu wirken, lauter, als es nötig wäre.
    Jetzt. Jetzt ist der Moment. Der Augenblick ihrer Flucht.
    Auf Zehenspitzen schleicht Luna aus der Küche zur Wohnungstür, schafft es, sie geräuschlos zu öffnen, greift ebenso still ihre Sneakers von der Schuhablage. Will auch ihre Tasche mitnehmen, die sie ganz sicher an der Garderobe hat stehen lassen, aber sie ist nicht mehr da, Falk muss sie weggenommen haben, sie kann jetzt nicht danach suchen. Sie schleicht hinaus, nimmt nicht den Fahrstuhl, sondern stürmt die Treppe hinunter, leise, vorsichtig, noch immer in Strumpfhosen, sie darf nicht ausrutschen und fallen, das wäre zu laut und sie käme nicht weiter, die Tür hat sie offen lassen müssen, um nicht durch das Geräusch des Zuschlagens Falks Aufmerksamkeit zu erregen.
    Der Weg ins Erdgeschoss erscheint ihr endlos, dritter Stock, zweiter, erster, als sie endlich unten ist, stößt sie im Eingang beinahe gegen den Postboten, zwängt sich an ihm vorbei, hastet nach draußen, ziellos, die Schuhe in der Hand. Der Asphalt ist gefroren, Luna beißt die Zähne zusammen, weit kommt sie so nicht, sie muss die Schuhe anziehen, einen Ort finden, wo sie sich verstecken kann, in wenigen Minuten wird Falk bemerken, dass sie fort ist, und er wird nicht warten, bis der Finanzbeamte meint, es sei Zeit zu gehen.
    Die vornehme Wohnstraße ist beinahe menschenleer, Luna schafft es, in eine kleine Grünanlage einzubiegen und sich hinter einer dicht gewachsenen Eibe zu verstecken. Ihre Füße sind bereits nahezu steifgefroren, sie hat Mühe, in ihre Schuhe zu steigen, zerrt an den Schnürsenkeln, an der Lasche, endlich hat sie sie weit genug auf, blickt sich gehetzt um, als sie sie angezogen hat und bereit ist weiterzurennen. Sie rennt los, ziellos, planlos, nur immer weiter weg von Falks Wohnung, durch Nebenstraßen, in denen er sich nie aufhält. Der leere Magen und der noch kaum überstandene fiebrige Infekt sorgen dafür,
dass sie langsamer werden, Pausen machen muss, Pausen, in denen sie sich erneut versteckt. Langsamer geht sie weiter Richtung U-Bahnhof Olympiastadion, atmet aus, versucht, ihren Herzschlag zu beruhigen. Je mehr sie sich dem U-Bahnhof nähert, desto mehr Passanten begegnen ihr, Luna bemerkt, dass sie angestarrt wird, auffällt. Auffallen - nur das nicht. Sie blickt an sich herunter, Natürlich, das ist es, sie hat keine Jacke an, im T-Shirt jagt sie an Menschen vorbei, die die Windschutzscheiben ihrer Autos vom Eis frei kratzen, auch ihr Haar ist noch nass und ungekämmt, im Laufen tastet sie danach und spürt ihre Strähnen wie Eiszapfen zwischen ihren Fingern.
    Auf der anderen Straßenseite sieht sie einen Mann von Falks Größe und Statur und ihr wird eiskalt. Hat er sie etwa schon eingeholt, kommt er jetzt, um sie wieder zurückzuholen? Ohne sich noch einmal umzublicken, läuft sie weiter in Richtung U-Bahn, nimmt die Treppe zum Gleis in mehreren Stufen auf einmal, fleht, dass schon ein Zug da sei oder gleich kommen möge, aus dem Tunnel ist bereits das ferne Grollen der herannahenden Bahn zu hören, dann fährt sie

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