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Dornenliebe

Titel: Dornenliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Feher
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Bescheid sagen wollen, konnten sie jedoch nicht erreichen, weil Falk ihr Handy immer wieder an sich genommen hatte.

    Zwei Stunden später ein weiterer Versuch auf dem Festnetz, dann wieder die polierte, künstliche Stimme: »Ihr verfügbares Guthaben ist aufgebraucht. Bitte laden Sie einen neuen Betrag auf, ehe Sie wie gewohnt weitertelefonieren können. Sie können dies von zu Hause aus über unsere Homepage tun oder wenden sich an den Fachhandel. Ihre Verbindung wird nun getrennt.«
    Luna stampft mit dem Fuß auf. Verdammt, offenbar wurde jedes Mal, wenn sie eine Verbindung zum Anrufbeantworter hatte, eine volle Minute abgerechnet; mit einem Euro kommt man da nicht weit, vermutlich hatte Teresa noch einen alten Prepaid-Tarif für 29 Cent pro Minute. Erreichbar ist sie trotzdem. Teresa ist erreichbar. Vielleicht melden sich die Eltern nicht, weil die fremde Nummer sie misstrauisch macht. Vielleicht melden sie sich doch.

15.
    A m Sonntag geht es Luna schlechter. Der Husten hat sich verschlimmert, bei jedem Atemzug fühlt sie einen Schmerz in der Lunge, als ob diese zu reißen droht. Wiederholt schlägt sie mit der flachen Hand gegen die Tür, ruft nach Falk. Bittet, droht. Will raus, unbedingt raus, erträgt es nicht mehr, immer dieselben Möbel und Gegenstände zu sehen, will etwas essen, ihr ist schwindlig vor Hunger; nachdem der Durst und das Fieber die schmerzende Leere in ihrem Magen eine Zeitlang verdrängt haben, ist sie nun wieder da, nagender und qualvoller als zuvor, alles fühlt sich leer an, der Magen, der Kopf. Sie schreit, sie ruft. Mehrere Stunden vergehen vom Morgen an, ehe Falk die Tür einen Spaltbreit öffnet, um ihr erneut etwas zu trinken zu bringen, zu wenig, um sich besser zu fühlen. Er spricht nicht mit Luna, antwortet nicht auf die Fragen, die sie ihm durch die verriegelte Tür hinterherruft. Luna beginnt zu ahnen, wie sich Patienten in der geschlossenen Abteilung einer Nervenklinik fühlen müssen, oder Obdachlose; würde sie jetzt die Straße betreten, so wie sie ist - seit Tagen ungewaschen, ungekämmt, mit einem Rest verschmierten Augen-Make-ups im Gesicht, hustend und mit fiebrigen Augen, zerknitterter, schweißgetränkter Kleidung und verwirrt, ziellos, vielleicht in die Wolldecke gehüllt -, man würde die Polizei rufen, mit etwas Glück nur einen Krankenwagen, und Luna irgendwohin
bringen, wo sie nicht auffiele, verwahrt wäre, niemanden störe.
    Die Polizei rufen, mit Teresas Handy. Dazu bräuchte sie nicht einmal ein Guthaben auf der Prepaid-Karte. Sie würden kommen, den ahnungslosen Falk herausklingeln, ihm vorwerfen, er habe eine junge Frau in einem Zimmer seiner Wohnung eingesperrt. Mit seiner eisglatten Art würde Falk jeden Verdacht zerstreuen, als lächerlich darstellen, mindestens den Beamten glaubhaft versichern, es handele sich um ein Missverständnis. Danach würde er Luna doppelt bestrafen, noch gemeiner, noch schlauer, würde sie noch enger an sich ketten, sie keinen Schritt mehr ohne ihn tun lassen. Sie verwirft die Idee wieder.

    Der Rest des Tages schleppt sich unerträglich zäh dahin, noch zäher als die Tage davor. Falk lässt sie nicht raus, es kommt Luna vor, als wäre sie bereits seit Wochen eingesperrt. Wasser teilt er ihr weiterhin in kleinen Mengen zu, schiebt ein Glas durch einen schmalen Türspalt, einmal versucht sie, sich dazwischenzudrängen, sich in die Tür zu werfen, um sie weiter zu öffnen, doch sie bekommt ihre körperliche Unterlegenheit zu spüren, er stößt sie ins Zimmer zurück, wo sie liegen bleibt, benommen vor Schmerz, nur ganz allmählich in der Lage, wieder klare Gedanken zu fassen. Es muss eine Möglichkeit zur Flucht geben! Luna tritt erneut ans Fenster und schlägt mit der flachen Hand gegen die Scheiben, fragt sich, wie Einbrecher vorgehen, wenn sie nahezu lautlos Fensterscheiben aus den Rahmen drücken, um unbemerkt in ein Haus zu gelangen. Sie blickt sich im Zimmer um, weiß aber auch so, dass sie hier nichts hat, woran sie sich abseilen könnte, es ist zu hoch, auch der Blick auf die Straße verschafft
ihr keine neuen Ideen. Die Scheibe einschlagen, um Hilfe schreien. Der Erste, der kommen würde, wäre Falk.

    Er kann sie nicht hier sterben lassen, irgendwann würde ihre Leiche zu riechen beginnen; selbst wenn er anschließend untertauchte, fände man ihn schnell.
    Der Finanzbeamte, denkt Luna, während sie sich am Abend erneut auf die harte Auslegware des Zimmers legt. Er will das Zimmer sehen, gleich morgen früh. Falk wird

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