Dornenschwestern (German Edition)
wie zuerst ihr Vater und dann ihr Bruder im Krieg alles aufs Spiel gesetzt haben.
Die Söhne von York besitzen ungeheuren Mut und ein unglaubliches Durchhaltevermögen. Richard ist ein Mann, der skrupellos seine Interessen verfolgt. Doch ich wusste nicht, dass er fähig ist, seine eigene Schwiegermutter gefangen zu setzen und gegen ihren Willen festzuhalten, ihr alles zu stehlen, während sie unter seinem Dach schläft.
«Wie lange soll sie hier leben?»
«Bis sie stirbt», antwortet er kühl.
Ich denke an König Henry im Tower, der in jener Nacht den Tod fand, als die Söhne von York siegreich aus Tewkesbury nach Hause kamen, fest entschlossen, die Linie zu beenden. Und ich habe Angst, meinen jungen Gemahl zu fragen, wie lange meine Mutter seiner Meinung nach wohl leben wird.
Zögernd und mit einem mulmigen Gefühl im Bauch gehe ich an diesem Abend nach dem Essen in die meiner Mutter zugewiesenen Gemächer. Sie haben ihr die besten Gerichte vom Abendessen serviert und sie ihr kniend dargeboten, mit allem einer Herzogin gebührenden Respekt. Sie hat gut gegessen. Als ich hereinkomme, räumen sie gerade die leeren Platten ab. Richard hat verfügt, sie so weit wie möglich von uns entfernt im Nordwestturm unterzubringen. Von ihrer Unterkunft zum Bergfried gibt es keine Brücke. Wenn es ihr erlaubt wäre, ihre Gemächer zu verlassen, müsste sie die Treppen in den Hof hinuntergehen, durch den Hof und dann die Stufen hinauf zum Bergfried steigen, um in die große Halle zu gelangen. An jedem Durchgang stehen Wachen. Ohne Erlaubnis wird sie den Turm niemals verlassen. Von ihren Fenstern kann sie nur die Dächer der kleinen Stadt sehen, den weiten grauen Himmel, die leere Landschaft und unten den dunklen Graben.
Nachdem ich eingetreten bin und einen Knicks gemacht habe – sie ist meine Mutter, und ich muss ihr Respekt erweisen –, richte ich mich auf und stehe mit hochgerecktem Kinn vor ihr. Wahrscheinlich sehe ich aus wie ein trotziges Kind. Doch ich bin erst siebzehn, und ich habe Angst vor meiner autoritären Mutter.
«Für deinen Gemahl bin ich eine Gefangene», sagt sie kalt. «Dienst du, meine eigene Tochter, ihm als Gefängniswärterin?»
«Du weißt, dass ich ihm gehorchen muss.»
«Du solltest mir gehorchen.»
«Du bist weggegangen», entgegne ich freimütig, ich kann nicht anders. «Du hast mich bei Margarete von Anjou gelassen, durch sie bin ich in eine schreckliche Schlacht geraten, die mit einer Niederlage und dem Tod meines Gemahls endete. Ich war kaum mehr als ein Kind, und du hast mich auf einem Schlachtfeld zurückgelassen.»
«Du hast den Preis für deinen übertriebenen Ehrgeiz gezahlt», versetzt sie, «den Ehrgeiz deines Vaters, der uns zerstört hat. Jetzt folgst du wie ein Hund einem anderen ehrgeizigen Mann, genau wie du deinem Vater gefolgt bist. Du wolltest Königin von England sein. Du kennst deinen Platz nicht.»
«Mein Ehrgeiz hat mich nicht weit gebracht», erwidere ich. «Isabel hat mich eingesperrt, meine eigene Schwester!» Ich spüre Zorn und Tränen aufsteigen. «Ich hatte niemanden, der mich verteidigt hat. Du hast zugelassen, dass Isabel und George mich gegen meinen Willen festhielten. Du bist ins Kirchenasyl geflüchtet und hast mich zurückgelassen, damit andere mich auf dem Schlachtfeld auflesen! Jeder hätte mir Schaden zufügen können, alles Mögliche hätte mir zustoßen können.»
«Du hast zugelassen, dass dein Gemahl und Isabel mir mein Vermögen rauben.»
«Wie hätte ich sie daran hindern sollen?»
«Hast du es versucht?»
Ich schweige.
«Gib mir meine Besitzungen zurück und lass mich frei», fordert meine Mutter. «Sag deinem Gemahl, er muss es tun. Sag es dem König.»
«Werte Mutter, das kann ich nicht», erwidere ich matt.
«Dann Isabel.»
«Sie auch nicht. Sie erwartet ein Kind und ist nicht einmal am Hof. Und der König nimmt keine Petitionen von Isabel und mir entgegen. Er würde niemals uns anstelle seiner Brüder anhören.»
«Ich muss frei sein», sagt meine Mutter, und einen Augenblick lang zittert ihre Stimme. «Ich kann nicht im Gefängnis sterben. Du musst mich freilassen.»
Ich schüttele den Kopf. «Das geht nicht. Es hat keinen Sinn, mich darum zu bitten, werte Mutter. Ich bin machtlos. Ich kann nichts für dich tun.»
Für einen Augenblick sieht sie mich mit funkelnden Augen an, sie kann mich immer noch in Angst und Schrecken versetzen. Doch diesmal halte ich ihrem Blick stand und zucke die Achseln.
«Wir haben die Schlacht
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