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Dornenschwestern (German Edition)

Dornenschwestern (German Edition)

Titel: Dornenschwestern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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niemals sehen wird, den Jungen, auf den wir alle so gehofft haben. Ich schreibe ihr einen kurzen Brief, um ihr mitzuteilen, dass ich einen Sohn bekommen habe und er sich bisher ganz gut entwickelt.
    Sie reagiert mit einer wütenden Tirade. Für sie ist mein Kind, mein geliebter Sohn, illegitim, sie nennt ihn «Richards Bastard», denn sie hat nicht ihre Erlaubnis zu der Hochzeit erteilt. Die Burg, in der er geboren wurde, ist nicht sein Zuhause, sondern ihres, und so ist er ein Usurpator, wie sein Vater und seine Mutter. Ich soll Kind und Gemahl unverzüglich verlassen und zu ihr nach Beaulieu kommen. Oder nach London zum König gehen und ihn um ihre Freilassung bitten. Oder meinem Gemahl befehlen, sie freizulassen. George und Richard müssen ihr ihr Vermögen zurückgeben, sie gehören als Diebe angeklagt. Und wenn ich nichts unternehme, werde ich die Kälte ihres mütterlichen Fluches zu spüren bekommen, dann wird sie mich verleugnen und mir nie wieder schreiben.
    Langsam falte ich den Brief zusammen und werfe ihn in der großen Halle ins Feuer. Das gefaltete Blatt Papier flackert noch einmal auf, bevor es verbrennt.
    Dicht gefolgt von seinem Jagdhund, kommt Richard herein und bleibt stehen, als er mein ernstes Gesicht sieht. Er betrachtet die kleine Flamme auf dem Rost.
    «Was war das?»
    «Nichts», sage ich traurig. «Es bedeutet mir nichts mehr.»

Middleham Castle, Yorkshire

Juni 1473
    D en frühen Abend vor dem Essen mag ich am liebsten. Richard und ich machen auf den Mauern der prächtigen Burg einen langen Spaziergang, der uns einmal rundherum führt und am Prince’s Tower beginnt und endet. Dieser Turm beherbergt die Kinderstube meines geliebten kleinen Edward. Zu unserer Rechten liegt der tiefe Burggraben. Als ich hinunterschaue, sehe ich, dass sie ein Netz aus dem Graben ziehen, in dem silbrige Fische zappeln. Ich stupse Richard an.
    «Heute Abend gibt es Karpfen.»
    Hinter dem Graben liegt die kleine Stadt Middleham mit einer kunterbunten Häuseransammlung aus Stein und Schiefer, und um die Stadt herum sind üppige Weiden, die bis ans Moor heranreichen. Zwei Milchmädchen mit Jochen und Eimern über ihren breiten Schultern, die dreibeinigen Schemel in der Hand, gehen hinaus, um die Kühe auf den Weiden zu melken. Wenn die Mägde «Schöne Muh! Schöne Muh!» rufen, heben sie die Köpfe und schreiten gemächlich auf sie zu. Die Hügel hinter den Feldern sind am Fuß dunkelgrün vom Farnkraut, und an den Hängen wächst das dunstige, amethystblau blühende Heidekraut. Dies ist seit jeher mein Zuhause und das Heim meiner Familie. Die meisten Jungen in den Cottages wurden nach meinem Vater und dessen Vater davor auf den Namen Richard getauft, die meisten Mädchen heißen nach meiner Schwester und mir Anne oder Isabel. Fast alle haben mir und dem neuen Richard – meinem Gemahl – ihren Gehorsam geschworen. Als wir um die Ecke des Laufgangs biegen und der Stadt nun den Rücken zukehren, fällt mein Blick auf eine junge Schleiereule, weiß wie eine Wolke, die still wie fallendes Herbstlaub über der schnurgeraden Hecke schwebt. Die Sonne versinkt in einer rosafarbenen und goldenen Wolkenschicht. Ich hake mich bei Richard unter und lehne den Kopf an seine Schulter.
    «Bist du glücklich?», frage ich.
    Er lächelt. Solch eine Frage würde er niemals so stellen. «Ich bin froh, hier zu sein.»
    «Du meinst, nicht am Hof?»
    Ich hoffe darauf, dass er etwas sagt wie: dass er meine Gesellschaft liebt und gern mit mir und unserem Sohn in diesem unserem schönen Heim zusammen ist. Wir sind immer noch frisch verheiratet, wir sind jung, ich habe immer noch das Gefühl, als spielten wir die Rollen des Hausherrn und der Hausherrin, als wäre ich noch nicht reif und bedeutend genug, um die Stelle meiner Mutter einzunehmen. Für Richard ist es etwas anderes. Dieses Leben ist hart errungen; er trägt als Herrscher über den Norden von England eine Verantwortung. Für mich ist es ein Mädchentraum, seine Gemahlin zu sein und hier zu leben, auf dem Stammsitz meiner Familie. Oft kann ich nicht glauben, dass dieser Traum wahr geworden ist.
    Doch Richard antwortet nur: «Der Hof ist heutzutage wie ein Handgemenge bei einem Turnier. Die Rivers raffen immer mehr zusammen, und George und die anderen Lords wehren sich. Es ist ein ständiger unterschwelliger Kampf. Kein Yard Land und keine Münze in meiner Tasche ist sicher. Immer gibt es irgendwelche Verwandten der Königin, die denken, sie hätten ein Anrecht darauf.»
    «Der

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