Dornenschwestern (German Edition)
gewonnen, wir waren an seiner Seite. Er wird es nicht aufteilen, dann würde er das Erbe seines Sohnes zerstören.»
«Es überrascht mich, dass du Elizabeth Woodvilles Sohn verteidigst», erwidert George mit samtener Stimme. «Ausgerechnet du, der du von ihrer Sippe an den Rand gedrängt wirst. Du warst sein bester, innig geliebter Freund. Doch jetzt redest du wie sie und ihr Bruder, der fromme Anthony, und wie ihre Söhne aus erster Ehe, seine ständigen Begleiter in sämtlichen Hurenhäusern Londons: Thomas und Richard. Der Woodville-Junge hat in dir einen Fürsprecher. Du bist wirklich ein fürsorglicher Onkel.»
«Ich verteidige meinen Bruder», erwidert Richard. «Ich sage nichts über die Familie Rivers. Mein Bruder hat die Frau seiner Wahl geehelicht. Sie war nicht meine Wahl, doch ich werde meinen Bruder immer verteidigen.»
«Ihr kannst du nicht treu sein», sagt George. «Ausgeschlossen.»
Wieder höre ich, wie mein junger Gemahl zögert, es stimmt, ihr kann er unmöglich treu sein.
«Wir reden weiter», sagt George schließlich, «wenn der Woodville-Junge den Thron besteigen will. Wenn der Junge aus Grafton, der Bastard von niederem Stand, sich auf den Thron von England setzt und die Krone unseres Bruders nimmt, die wir für ihn und unser Haus errungen haben und nicht für sie. Ich weiß, dass du Edward treu bist, und ich bin es auch. Aber nur meinem Bruder, meinem Haus und dem Blut der Könige. Nicht diesem Bastard von niederem Stand.»
Ich höre, dass er auf dem Absatz kehrtmacht und durchs Zimmer geht, und ziehe mich in eine Fensternische zurück. Als er die Tür öffnet, sehe ich mich ein wenig verdutzt um, als wäre ich überrascht, sie beide zu sehen. George nickt mir kaum zu und eilt hinaus, während Richard ihm hinterherblickt.
Middleham Castle, Yorkshire
Juli 1474
R ichard hält Wort, und meine Mutter und ich sehen uns kaum, obwohl wir unter demselben Dach leben. Im Nordwestturm hat sie ihre Gemächer, die die strohgedeckten Dächer und Steingiebel der kleinen Häuser von Middleham überblicken, während unsere Gemächer hoch im Burgfried liegen, wir haben ringsum einen Ausblick wie aus einem Adlerhorst. Wir fahren nach London, nach York, nach Sheriff Hutton, Barnard Castle, begleitet von Wachen und unserem Hofstaat aus Freunden, während sie in ihren Gemächern zurückbleibt und jeden Morgen durch dieselben Fenster die Sonne auf-und auf der anderen Seite wieder untergehen sieht.
Ich gebe Anweisung, dass unser Sohn Edward niemals auf dem Laufgang der äußeren Burgmauer spazieren geführt wird, wo ihn seine Großmutter sehen könnte. Ich will nicht, dass sie irgendetwas mit ihm zu tun hat. Er trägt einen königlichen Namen, er ist der Enkel, nach dem sich mein Vater gesehnt hat. Er ist jetzt viele Schritte vom Thron entfernt, doch ich lasse ihm die Bildung und Erziehung eines künftigen Königs zuteilwerden – wie es mein Vater gewünscht hätte, wie meine Mutter es sich wünschen sollte. Doch sie hat mich verflucht, sie hat meine Ehe verflucht, also werde ich ihr nicht den kleinsten Blick auf meinen schönen Sohn gewähren. Für ihn kann sie ruhig tot sein, wie ich ihren Worten nach für sie tot bin.
Im Hochsommer ersucht sie darum, Richard und mich zusammen zu sehen. Die Nachricht kommt von ihrer Ersten Hofdame, und Richard sieht mich fragend an.
«Wir müssen sie sehen», sage ich unbehaglich. «Was ist, wenn sie krank ist?»
«Dann soll sie nach einem Arzt schicken, nicht nach dir», antwortet er. «Sie weiß, dass sie jederzeit einen Arzt aus London herbestellen kann. Ich bin, was ihren Haushalt angeht, nicht knauserig.»
Ich sehe Lady Worth an. «Was will sie?»
Sie schüttelt den Kopf. «Sie hat mir nur gesagt, dass sie Euch beide sehen möchte.»
«Bringt sie zu uns», befindet Richard.
Wir sitzen auf zueinander passenden Stühlen, fast so prächtig wie ein Thron, im Audienzzimmer von Middleham Castle, und ich erhebe mich nicht, als meine Mutter hereinkommt.
Sie verharrt, als erwartete sie, dass ich niederknie, um ihren Segen zu empfangen. Sich umblickend nimmt sie Veränderungen, die wir an ihrem Heim vorgenommen haben, in Augenschein und zieht eine Augenbraue hoch, als hielte sie nicht viel von unseren Wandteppichen.
Richard winkt einen Diener heran. «Hol der Herzogin einen Stuhl.»
Mit steifen Bewegungen setzt meine Mutter sich vor uns. Sie wird alt, vielleicht ist sie krank. Vielleicht würde sie gern bei Isabel auf Warwick Castle leben, und wir können sie
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