Dornenschwestern (German Edition)
damit ist ihre Ehe rechtsgültig. Doch Richard ist klar, dass er keinen Dispens erhalten hat und es in seiner Macht liegt, eure Ehe aufzulösen. Ich habe das Dokument sehr sorgfältig gelesen, so wie jede Frau aufmerksam ihren eigenen Totenschein lesen sollte. Wenn ich den Papst bitten würde, mir den Dispens für eure Eheschließung zu zeigen, würde er vermutlich antworten, es gebe keinen, denn er sei nie um einen solchen ersucht worden. Also bist du nicht verheiratet, und dein Sohn ist ein Bastard, und du bist eine Hure.»
Ich bin sprachlos. Zuerst denke ich, sie phantasiert, doch dann fallen nacheinander die Puzzlestücke an die richtige Stelle.
Unsere übereilte Eheschließung und dass Richard sagte, wir könnten auch ohne Dispens heiraten und ihn später erwirken. Und dann habe ich Närrin einfach angenommen, unsere Ehe sei rechtens. Ich vergaß in meiner närrischen Verliebtheit, dass eine Heirat durch einen Erzbischof mit dem Segen des Königs ohne den päpstlichen Dispens nichts wert ist.
Aber jetzt weiß ich, dass mein Gemahl es nicht vergessen, sondern dafür vorgesorgt hat, dass er sein Vermögen behalten kann, wenn er sich meiner irgendwann entledigen möchte. Wenn er mich loswerden will, muss er nur sagen, unsere Ehe sei nie rechtsgültig gewesen. Unsere Ehe beruht auf unserem Schwur vor Gott – wenigstens das kann er nicht leugnen. Doch unsere Ehe hängt von seiner Willkür ab. Jeden Augenblick könnte er unsere Ehe als Schwindel bloßlegen, dann wäre er frei, und ich müsste in tiefer Schande leben.
Staunend schüttele ich den Kopf. Die ganze Zeit dachte ich, ich wäre Spielerin und Schachfigur in einem, doch noch nie war ich so machtlos, von jeher war ich nur die Figur im Spiel eines anderen.
«Richard», sage ich, und es ist, als riefe ich nach ihm, damit er mich einmal mehr rettet.
Meine Mutter betrachtet mich mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck.
«Was soll ich machen?», flüstere ich.
«Verlass ihn.» Die Stimme meiner Mutter trifft mich wie ein Schlag ins Gesicht. «Und komm mit mir nach London. Dann gehen wir gegen das Gesetz vor, leugnen die falsche Ehe und holen uns meinen Besitz zurück.»
Ich fahre zu ihr herum. «Begreifst du nicht, dass du deinen Besitz niemals zurückbekommst? Glaubst du wirklich, du könntest gegen den König von England antreten, die drei Söhne von York angreifen, die wie Pech und Schwefel zusammenhalten? Hast du vergessen, dass sie die Feinde deines Mannes waren, die Feinde von Margarete von Anjou? Hast du vergessen, dass wir geschlagen wurden? Du willst uns doch nur ins Gefängnis im Tower bringen.»
«Als seine Gemahlin bist du niemals sicher», prophezeit sie. «Er kann dich verlassen, wann immer er will. Wenn dein Sohn stirbt und du keinen zweiten bekommst, sucht er sich eine fruchtbarere Frau und behält dein Vermögen.»
«Er liebt mich.»
«Mag sein», räumt sie ein. «Aber er will die Ländereien, die Burg hier und mehr als alles andere in der Welt einen Erben. Du hast keine Sicherheit.»
«Als deine Tochter habe ich auch keine Sicherheit», entgegne ich. «So viel zumindest weiß ich. Du hast mich mit einem Anwärter auf den Thron von England verheiratet und mich verlassen, als wir in die Schlacht ziehen mussten. Jetzt forderst du mich schon wieder auf, Verrat zu begehen.»
«Verlass ihn!», flüstert sie. «Diesmal stehe ich dir bei.»
«Und was ist mit meinem Sohn?»
Sie zuckt die Achseln. «Du wirst ihn nie wiedersehen, aber da er ein Bastard ist … Spielt es denn überhaupt eine Rolle?»
Zornig packe ich sie am Arm und bringe sie im Stechschritt zu ihren Gemächern.
«Wage es nie wieder, ihn so zu nennen», erwidere ich zornig. «Ich stehe zu meinem Sohn und zu meinem Gemahl. Und du kannst hier drin verrotten.»
Sie löst sich aus meinem festen Griff. «Ich warne dich, ich werde alle wissen lassen, dass du keine ehrbare Gemahlin bist, sondern eine Hure, das bedeutet deinen Ruin.»
Ich schiebe sie durch die Tür. «Das wirst du nicht!», sage ich. «Denn du hast keine Feder und kein Papier und keine Möglichkeit, Nachrichten zu senden. Keine Briefe und keine Besucher. Du hast mich gelehrt, dass du meine Feindin bist, und ich werde dich knapp halten. Geh in dein Zimmer, Mutter. Du kommst nie wieder heraus, und kein Wort aus deinem Mund wird je durch diese Mauern nach außen dringen. Geh, für die Welt bist du tot, und für mich auch!»
Ich schlage die Tür hinter ihr zu und fahre zu der Wache herum. «Niemand darf zu ihr, außer
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