Dornenschwestern (German Edition)
schließt sich seinen beiden Brüdern an. Sie fallen in Frankreich ein, das vor ihnen ausgebreitet liegt wie ein üppiges Festmahl, ein Königreich, das zurückerobert werden will.
Die drei Söhne von York marschieren wieder im alten Glanz. Edward hat erklärt, er sei fest entschlossen, die Pracht von Heinrich V. wiederherzustellen. Er will König von Frankreich werden und Englands schmähliches Scheitern unter der bösen Königin und dem schlafenden König tilgen. Richard ist abweisend zu mir, während er sich auf den Abmarsch vorbereitet. Er erinnert sich daran, dass König Ludwig von Frankreich meine erste Heirat vorschlug und in die Wege leitete, mich seine kleine Cousine nannte und mir seine Freundschaft versprach, wenn ich einst Königin von England sei. Ein zweites und ein drittes Mal überprüft er die Karren, die alles nach Frankreich bringen sollen, und lässt seinen Waffenmeister zwei Garnituren Waffen einpacken, bevor er im Stallhof als Anführer von rund tausend Männern sein Pferd besteigt. Auf dem Marsch nach Süden werden sich ihm weitere anschließen.
Ich gehe zu ihm, um mich zu verabschieden. «Bring dich nicht in Gefahr, Gemahl.» In meinen Augen stehen Tränen, und ich versuche, sie wegzublinzeln.
«Ich ziehe in den Krieg.» Sein Lächeln ist zurückhaltend, schon konzentriert er sich ganz auf die vor ihm stehende Aufgabe. «Da lauern überall Gefahren.»
Ich schüttele den Kopf. Wie gern würde ich ihm sagen, wie viel Angst ich um ihn habe, dass ich nicht umhinkann, an meinen Vater zu denken, der sich vor lauter Eile, aufs Schiff zu kommen und in den Krieg zu ziehen, nur flüchtig verabschiedet hat. Und mein erster Gemahl fand sein blutiges Ende auf dem Schlachtfeld, worüber selbst heute noch niemand spricht.
«Ich hoffe sehr, dass du zu mir und zu deinem Sohn Edward zurückkehrst», entgegne ich leise und lege ihm die Hand aufs Knie. «Ich bin deine Gemahlin, und als solche gebe ich dir meinen Segen. Mein Herz wird die ganze Zeit bei dir sein, und ich werde jeden Tag für dich beten.»
«Ich komme sicher wieder nach Hause», versucht er mich zu beruhigen. «Ich kämpfe an der Seite meines Bruders Edward, und er ist noch nie auf dem Schlachtfeld, sondern nur durch Verrat zu Fall gebracht worden. Wenn wir die englischen Besitzungen in Frankreich zurückerobern, erringen wir den glorreichsten Sieg seit Generationen.»
«Ja.»
Tief beugt er sich aus dem Sattel herab und küsst mich auf die Lippen.
«Sei tapfer. Du bist die Gemahlin eines englischen Befehlshabers. Vielleicht erobere ich Burgen und prächtige französische Ländereien. Bewahre meinen Besitz hier und behüte meinen Sohn, ich komme zu dir nach Hause.»
Ich trete zurück, er wendet sein Pferd, und der Standartenträger hebt seinen Stander, der sich im Wind entrollt. Beim Anblick des Keilers, Richards Emblem, jubeln die Männer, und er gibt ihnen das Signal, ihm zu folgen. Er lässt die Zügel schießen, das Pferd setzt sich begierig in Bewegung. Die Hufschläge hallen wider, als sie hinaus durch das breite Steintor reiten. Sie passieren die Zugbrücke, und die Enten im Graben suchen voller Angst das Weite. Dann geht es die Straße hinunter an Middleham vorbei nach Süden, wo sie den König treffen, über den Ärmelkanal nach Frankreich, um England wieder die Macht zu verleihen wie in jenen Tagen, da englische Könige Frankreich regierten und englische Bauern Oliven und Weintrauben anbauten.
London
Sommer 1475
I ch begebe mich von Middleham Castle nach Baynard’s Castle, zum Haus unserer Familie in London, um näher am Hof zu sein und mehr über den Krieg in Frankreich zu erfahren.
Königin Elizabeth bleibt mit ihrem Hof in Westminster. Ihrem Sohn, dem kleinen Prinz Edward, wird in Abwesenheit seines Vaters die volle Herrschergewalt über England verliehen, und sie sonnt sich in ihrem Erfolg. Sie ist Gemahlin eines Königs, der sich auf dem Feldzug befindet, und Mutter des Prinzen. Ihr Bruder Anthony Woodville, der Vormund des Prinzen, ist mit dem König in Frankreich, also untersteht ihr Sohn allein ihrer Führung. Sie leitet den prinzlichen Rat, seine Berater und Lehrer hat sie alle persönlich ausgewählt. Die Macht im Königreich sollte eigentlich dem Rat obliegen, doch diesem steht der frisch ernannte Kardinal Bourchier vor. Und da er seinen roten Hut einzig und allein dem König zu verdanken hat, tanzt er nach ihrer Pfeife. Elizabeth Woodville führt nun das Haus York und regiert das Land. Sie hat es in der Tat aus
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