Dornenschwestern (German Edition)
lustlos die gepflasterten Wege abschreitet, wende ich den Kopf ab. Sie ist in der Tat eine tote Frau, sie ist so gut wie lebendig begraben. Sie ist – wie ich einst fürchtete – eingemauert.
Ich vertraue Richard nicht an, was sie über ihn gesagt hat, ich frage ihn nicht, ob unsere Ehe rechtsgültig und unser Sohn sein legitimer Nachfolger ist. Und ich frage sie nicht, ob sie sich sicher ist oder mir nur aus Bosheit Angst einjagen wollte.
Ich wünschte, sie hätte es mir nicht gesagt oder ich könnte es einfach vergessen. Mir wird übel bei dem Gedanken, dass ich es nicht widerlegen kann, dass ich ihr tief in meinem Herzen recht geben muss. Dieser Gedanke frisst meine Liebe zu Richard auf. Es hat mir nichts ausgemacht, dass er mich ohne päpstlichen Dispens geheiratet hat – wir waren doch so verliebt und voller Verlangen und konnten nicht warten. Aber wie konnte er mir nach unserer Heirat verheimlichen, dass er nicht um die Erlaubnis ersucht hat, und – was das Niederdrückendste und Schlimmste ist – dass er sich bei einer Scheidung das Anrecht auf mein Erbe gesichert hat.
Ich bin an ihn gebunden, weil er meine erste große Liebe ist und ich mich seinem Willen unterwerfen muss. Er ist der Vater meines Sohnes und mein Gebieter. Aber was bin ich für ihn? Das möchte ich gern wissen, doch dank meiner Mutter kann ich ihn jetzt nicht mehr vertrauensvoll fragen.
Im Mai schlägt Richard vor, Edward bei seinem Lehrer und der Obersthofmeisterin in Middleham zu lassen, damit wir uns in York um die Vorbereitungen für die Prozession nach Fotheringhay kümmern können. Es handelt sich um eine ernste Angelegenheit: Sein Vater soll umgebettet werden.
«Margarete von Anjous Armee hat ihn und meinen Bruder Edmund enthauptet und ihre Köpfe in York am Micklegate Bar auf Pfähle gespießt», sagt Richard grimmig. «So war sie, deine erste Schwiegermutter.»
«Du weißt, dass ich bei der Eheschließung nichts zu sagen hatte», entgegne ich ruhig, obwohl ich verärgert bin, dass er diesen Teil meines Lebens nicht vergessen kann. «Damals war ich ein Kind und habe in Calais gelebt, und mein Vater hat für York gekämpft, an der Seite deines Bruders.»
Er macht eine fahrige Handbewegung. «Das spielt jetzt keine Rolle mehr. Ich möchte nur, dass mein Vater und mein Bruder ehrenvoll bestattet werden. Was meinst du?»
«Ich halte das für eine sehr gute Idee. Sie liegen jetzt in Pontefract, nicht wahr?»
«Ja. Meine Mutter hätte gern, dass sie zusammen in der Familiengruft in Fotheringhay Castle beigesetzt werden. Ich möchte, dass er angemessen geehrt wird. Edward hat mich beauftragt, mich um alles zu kümmern. Er hat es lieber mir anvertraut als George.»
«Niemand könnte das besser als du», sage ich mit liebevoller Stimme.
Er lächelt. «Danke. Du hast recht. Edward ist zu sorglos, und George liegt nichts an Ritterlichkeit und Ehre. Aber ich werde stolz darauf sein und mir Mühe geben, meinen Vater und meinen Bruder ehrenvoll zu bestatten.»
Für einen Augenblick denke ich an den Leichnam meines Vaters, der vom Schlachtfeld in Barnet geschleift wurde, während ihm das Blut aus dem Helm troff und sein Kopf baumelte, während sein großes schwarzes Ross auf dem Schlachtfeld lag, als würde es schlafen. Doch Edward war ein guter Feind; er hat niemals die Leichen seiner Gegner geschändet. Er präsentierte sie der Öffentlichkeit, damit die Leute wussten, dass sie tot waren, und dann erlaubte er, sie zu beerdigen. Der Leichnam meines Vaters liegt in der Familiengruft in Bisham Abbey, er wurde ehrenvoll beigesetzt, wenn auch ohne Zeremonie. Isabel und ich waren nie dort, um unseren Respekt zu zollen. Meine Mutter hat sein Grab auch nie besucht, und jetzt wird sie auch keine Gelegenheit mehr dazu haben. Sie kommt erst nach Bisham Abbey, wenn ich sie dort neben ihm zur Ruhe bette. Als Gemahlin hat sie mehr getaugt denn als Mutter.
«Wie kann ich dich unterstützen?», frage ich.
Er überlegt. «Du kannst mir helfen, die Route und die verschiedenen Zeremonien zu planen. Und du kannst mich beraten, was die Leute tragen und welche Messen wir abhalten sollen. So etwas gab es vorher noch nicht. Ich will, dass es reibungslos vonstattengeht.»
Richard, sein Oberstallmeister und ich planen zusammen die Reise, während unser Priester in Middleham Vorschläge beisteuert, welche Zeremonien den Zug mit dem Leichnam begleiten und welche Gebete an den verschiedenen Stationen dargebracht werden sollen. Richard gibt ein
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