Dornenschwestern (German Edition)
Elizabeth und ihre Töchter. Doch ich kann nicht umhin zu denken, dass sie sich eher wie Schauspieler benehmen denn wie echte Könige und Königinnen. Die schöne Elizabeth, die Königin, ist so selbstbewusst, genauso wie ihre Mädchen, und besonders Prinzessin Elizabeth ist sich ihres Platzes in der Prozession sicher. In ihrem Alter hatte ich Angst, ich könnte meiner Mutter auf die Schleppe treten, doch die kleine Prinzessin Elizabeth schreitet wie eine angehende Königin mit hocherhobenem Haupt und schaut weder nach rechts noch nach links.
Ich sollte sie bewundern; alle anderen scheinen sie anzubeten, und wenn ich eine Tochter hätte, würde ich vielleicht auf die Prinzessin zeigen und meinem kleinen Mädchen sagen, es müsse lernen, so sicher aufzutreten wie seine Cousine. Doch da ich – auch wenn ich um eines bete – kein kleines Mädchen habe, kann ich die Prinzessin Elizabeth nicht ansehen, ohne Verdruss zu empfinden. Sie wirkt künstlich, wie ein verwöhntes Kind, das immer bevorzugt wird und eigentlich ins Schulzimmer gehört und nicht an einer solch ernsten Zeremonie teilnehmen sollte. Mit affektierten Trippelschritten schreitet sie voran, während sie sich in der Bewunderung der Zuschauer sonnt.
«Das kleine Biest», zischt meine Schwester mir ins Ohr, und ich muss schnell den Blick senken und ein Lächeln unterdrücken.
Wie immer bei Edward folgt ein Bankett und großes Gepränge. Richard sitzt neben seinem Bruder und trinkt wenig und isst noch weniger. Mehr als tausend Gäste speisen in der Burg und weitere tausend in wunderschönen Zelten. Während des Mahls wird Musik dargeboten und guter Wein eingeschenkt, zwischen den Gängen singt ein Chor getragene Hymnen, und es werden Früchte gereicht. Elizabeth, die Königin, sitzt zur Rechten ihres Gemahls, als wäre sie eine ebenbürtige Herrscherin des Königreiches und nicht nur eine Frau mit einer Krone auf dem Kopf und dunkelblauer Spitze im Haar. Sie blickt sich mit der gelassenen Schönheit einer Frau um, die weiß, dass ihr Platz sicher und ihr Leben keinerlei Anfechtungen ausgesetzt ist.
Ihr entgeht nicht, dass ich sie anstarre, und sie schenkt mir das eisige Lächeln, das sie immer für Isabel und mich bereithält. Denkt sie bei der feierlichen Umbettung ihres Schwiegervaters an ihren eigenen Vater, der einen schnellen Tod durch die Hand meines Vaters erfuhr? Mein Vater hat ihren Vater auf den Marktplatz von Chepstow geschleift, ihn des Verrats beschuldigt und ihn vor aller Augen geköpft – ohne Prozess. Sein Sohn John starb an seiner Seite, so galt sein letzter Blick dem abgetrennten Kopf des geliebten Sohnes.
Isabel, die neben mir sitzt, schaudert. «Siehst du, wie sie uns anglotzt?», flüstert sie.
«Ach, Iz», tadele ich sie. «Was kann sie uns jetzt schon tun? Wo der König George so liebt und sie Richard so schätzen? Und wir sind königliche Herzoginnen. Sie sind als Verbündete nach Frankreich gegangen und als gute Freunde nach Hause zurückgekehrt. Ich glaube nicht, dass sie eine besondere Zuneigung für uns empfindet, aber sie kann uns nichts tun.»
«Sie kann uns mit einem Bann belegen», antwortet sie. «Sie kann einen Sturm herbeipfeifen, der uns beinahe ertränkt, das weißt du doch. Und jedes Mal, wenn mein kleiner Edward Fieber hat oder nicht schläft, weil er zahnt, frage ich mich, ob sie ihren bösen Blick auf uns gerichtet hält und sie sich ihn ins Gedächtnis ruft oder eine Nadel in sein Porträt sticht.» Ihre Hand liegt auf ihrem runden Bauch. «Ich trage einen geweihten Gürtel», fährt sie fort. «George hat ihn von seinem Ratgeber bekommen. Er ist gesegnet, um mich vor dem bösen Blick und ihr zu schützen.»
Natürlich bin ich in Gedanken augenblicklich in Middleham bei meinem eigenen Sohn, der von seinem Pony fallen oder sich bei der Tjost verletzen könnte, er könnte eine Erkältung bekommen oder Fieber, etwas Verdorbenes essen, einen Pesthauch einatmen, fauliges Wasser trinken. Ich schüttele den Kopf, um meine Ängste zu vertreiben.
«Ich bezweifle, dass sie je an uns denkt», sage ich beherzt. «Sie denkt bestimmt an nichts anderes als an ihre Familie, an ihre zwei kostbaren Söhne und an ihre Brüder und Schwestern. Wir bedeuten ihr nichts.»
Isabel blickt mich zweifelnd an. «Sie hat einen Spion in jedem Haushalt im Land. Sie denkt an uns, glaub mir. Meine Hofdame hat mir erzählt, sie bete jeden Tag darum, dass sie nicht mehr im Kirchenasyl Zuflucht suchen muss und ihr Gemahl bis zum Ende seines
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