Dornenschwestern (German Edition)
geschnitztes Abbild seines Vaters in Auftrag, das oben auf dem Sarg liegen soll, damit jeder den großen Mann sehen kann. Ein silberner Engel soll eine goldene Krone über den Kopf der Figur halten. Dieser symbolisiert die Rechtmäßigkeit des Thronanspruchs des Herzogs, der im Kampf um diesen Thron fiel. Es macht deutlich, dass Edward die richtige Entscheidung getroffen hat, Richard mit der Vorbereitung dieser Angelegenheit zu betrauen und nicht seinen Bruder George. Als George sich meinem Vater anschloss, leugnete er, dass der Herzog einen rechtmäßigen Thronanspruch hatte und sein Sohn Edward sein legitimer Sohn ist. Nur Richard und ich wissen, dass George das immer noch heimlich behauptet.
Richard stellt eine schöne Prozession auf, um die Gebeine seines Vaters und seines Bruders von Pontefract nach Hause zu überführen. Die Prozession zieht von York sieben Tage nach Süden, wobei an großen Kirchen am Wegesrand haltgemacht wird und die beiden feierlich aufgebahrt werden. Tausende von Menschen defilieren schweigend vorbei, um dem König, der nie gekrönt wurde, ihren Respekt zu zollen und in Erinnerung an die ruhmreiche Geschichte des Hauses York.
Sechs Pferde mit schwarzen Schabracken ziehen die Wagen. Vorneweg reitet ein Ritter, der das Banner des Herzogs trägt, als würde er in die Schlacht ziehen. Dahinter folgen erst Richard mit gesenktem Kopf und dann die großen Männer des Reiches, die unserem Haus und unserem gefallenen Vater die letzte Ehre erweisen.
Für Richard ist es nicht nur wichtig, dass sein Vater anständig umgebettet wird, sondern diese Würdigung ist eine Bekräftigung, dass dieser einen rechtmäßigen Anspruch auf den Thron des Königs von England und von Frankreich hatte. Sein Vater war ein großer Feldherr, der für sein Land gekämpft hat, ein mächtigerer Befehlshaber, ja, sogar ein größerer Stratege als sein Sohn Edward. Mit dieser langen Prozession ehrt Richard seinen Vater, erhebt Anspruch auf dessen Königswürde und erinnert das Land an die Größe und Würde des Hauses York. Wir sind alles, was die Rivers nicht sind, und das demonstriert Richard in der Pracht und der Würde dieses Gedenkens.
Nacht für Nacht hält Richard Wache bei den Särgen, jeden Tag reitet er auf einem schwarzen Pferd mit dunkelblauem Staatsgeschirr vor ihnen her, mit gesenkter Standarte. Es ist, als erlaubte er sich zum ersten Mal im Leben, um den verlorenen Vater, um die Welt des Adels und um die Ehre, die mit ihm untergegangen ist, zu trauern.
Als ich ihn in Fotheringhay wiedersehe, ist er nachdenklich und zärtlich zu mir. Er erinnert sich daran, dass unsere Väter Verbündete waren, Verwandte. Sein Vater starb vor der unheilvollen Allianz meines Vaters mit der bösen Königin und erlebte nicht mehr mit, wie sein Sohn den Thron bestieg und Richard seine erste Schlacht schlug.
Bevor Richard an diesem Abend die letzte Wache am Sarg seines Vaters antritt, knien wir Seite an Seite in der schönen Familienkirche zum Gebet nieder.
«Er wäre froh gewesen über unsere Heirat», sagt Richard leise, als er aufsteht. «Trotz allem.»
Ich sehe zu ihm auf, und mir liegt die Frage auf der Zunge: Und ist unsere Ehe rechtsgültig? Doch ich sehe die tiefe Trauer in seinen Zügen. Er wendet sich ab und nimmt den Platz als einer der vier Ritter ein, die die ganze Nacht Wache am Sarg halten, bis die Morgendämmerung sie von ihrer Pflicht entbindet.
George und Isabel kommen zur Beisetzung nach Fotheringhay, und wir stehen nebeneinander, beide in schönen Kleidern in der königlichen Trauerfarbe Dunkelblau, als der König und die Königin und ihre Familie die Särge auf dem Friedhof der Kirche in Fotheringhay in Empfang nehmen. Edward küsst die Hand der Figur, und George und Richard tun es ihm gleich. George ist besonders zärtlich und fromm, doch niemand zieht so viele Blicke auf sich wie die kleine Prinzessin. Die zehnjährige Prinzessin Elizabeth, von auserlesener Schönheit, geht voran, sie führt ihre Schwester, Prinzessin Mary, an der Hand, und dahinter kommen die Vertreter sämtlicher Länder der Christenheit, um das Oberhaupt des königlichen Hauses York zu ehren.
Es ist ein Maskenspiel – eine an Symbolen reiche Vorstellung – wie auch ein Trauerakt. Wer mit ansieht, dass die königliche Familie ihren Vorfahren beisetzt wie einen König, kann nicht anders, als darüber zu sinnieren, wie majestätisch Edward und seine Brüder sind, wie ehrerbietig der kleine Prinz und wie bezaubernd und erhaben
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