Dornenschwestern (German Edition)
bekommt zweitausend Kronen im Jahr. Und das ist nicht alles: Edward hat sich einverstanden erklärt, Margarete von Anjou freizulassen!»
«Was?»
«Sie ist dann nicht mehr Königin und muss auf ihren Titel und auf ihren Anspruch auf die Krone von England verzichten.»
Eine schreckliche Angst beschleicht mich. «Sie kommt doch nicht zu uns? Richard, ich würde es nicht ertragen, wenn sie in einem unserer Häuser leben würde.»
Zum ersten Mal seit seiner Rückkehr nach Hause lacht er laut auf. «Gott, nein. Sie geht nach Frankreich. König Ludwig kann sich um sie kümmern, wenn er sie unbedingt haben will. Die passen gut zusammen. Beide unehrenhaft, beide gierig, beide Lügner und beide eine Schande für den Thron. Ich an Edwards Stelle hätte sie hingerichtet und ihn geschlagen und mich niemals zu diesem unehrenhaften Waffenstillstand herabgelassen.»
Ich lege ihm die Hand auf die Schulter. «Du hast deine Pflicht getan. Du hast deine Männer zusammengerufen und wolltest kämpfen.»
«Meine Brüder erinnern mich an Kain», sagt er kläglich. «Sie geben ihr Geburtsrecht für ein Linsengericht her. Ich bin der Einzige, dem noch etwas an der Ehre liegt. Sie haben mich ausgelacht und mich einen Narr der Ritterlichkeit genannt; ich würde von einer besseren Welt träumen, die es niemals geben kann, während sie ihre Nasen in den Trog stecken.» Er wendet den Kopf und küsst mein Handgelenk. «Anne», sagt er leise.
Ich küsse seinen Hals, seinen Haaransatz, und dann, als er mich auf seinen Schoß zieht, seine geschlossenen Augen, seine gerunzelten Augenbrauen und seinen Mund. Während er mich aufs Bett legt und mich nimmt, schlinge ich die Arme um ihn und bete, dass wir noch einen Jungen zeugen.
Middleham Castle, Yorkshire
Sommer 1476
M ein Sohn Edward ist jetzt drei Jahre alt und darf die Kinderstube verlassen, die Kleidchen ablegen und richtige Jungenkleidung tragen. Ich lasse ihm von Richards Schneider Kopien der dunklen, ansprechenden Garnituren seines Vaters fertigen, und ich kleide ihn jeden Morgen selbst an, ziehe die Schnüre durch die Löcher in den Ärmeln, streife ihm die Reitstiefel über die kleinen Füße und sage, er solle aufstampfen. Bald müssen seine Haare geschnitten werden, doch in diesem Sommer bürste ich ihm jeden Morgen die goldbraunen Locken über den weißen Spitzenkragen und wickele sie mir um die Finger. Jeden Monat bete ich darum, noch ein Kind zu empfangen, einen Bruder für ihn, ja, ich bete sogar um ein Mädchen, wenn das der Wille Gottes ist. Doch ein Monat nach dem anderen geht vorüber, und immer noch kommt mein Monatsfluss, und mir ist am Morgen nie unwohl, und ich spüre nie diese wunderbare Mattigkeit, die einer Frau verrät, dass sie gesegneten Leibes ist.
Ich suche eine Kräuterkundige auf, lasse einen Arzt kommen. Das Kräuterweib gibt mir widerliche Tränke und ein Kräutersäckchen, das ich um den Hals tragen soll, der Arzt sagt, ich solle auch am Freitag Fleisch essen, und warnt mich, ich sei kalt und trocken und müsse warm und feucht werden. Meine Hofdamen flüstern mir zu, sie wüssten von einer weisen Frau, einer Frau mit überirdischen Kräften. Sie könne ein Kind machen, aber auch dahinschwinden lassen, sie könne einen Sturm herbeirufen, einen Wind herbeipfeifen … An dieser Stelle bringe ich sie zum Schweigen.
«Ich glaube nicht an so etwas», sage ich beherzt. «Und wenn, wäre es gegen den Willen Gottes und außerhalb der menschlichen Wissenssphäre, ich will nichts damit zu tun haben.»
Richard beklagt sich nie, dass unser nächstes Kind sich so viel Zeit lässt. Und er kann Kinder zeugen; ich weiß von zwei vor unserer Heirat, womöglich gibt es noch mehr. Sein Bruder, der König, hat in drei Königreichen Bastarde in die Welt gesetzt und mit der Königin sieben Kinder gezeugt. Doch Richard und ich haben nur unseren kostbaren Edward, und ich wundere mich, warum die Königin so viele Kinder von dem einen Bruder bekommt, während ich nur eines kriege. Weiß sie Dinge, die außerhalb des Willens Gottes und der Weisheit des Menschen liegen?
Jeden Morgen, wenn ich über die äußere Mauer zu dem Turm gehe, wo sich Edwards Kinderstube befindet, schlägt mein Herz ein wenig schneller, aus Furcht, er könnte krank sein. Obwohl er die üblichen Kinderkrankheiten durchgemacht, kleine weiße Zähne bekommen hat und wächst, bin ich unablässig in Sorge um ihn. Er wird nie ein starker Mann wie sein Onkel, der König. Er kommt nach seinem Vater – geschmeidig,
Weitere Kostenlose Bücher